Roma-Strategie – Realitäten und Perspektiven
Am vergangenen Donnerstag fand die Konferenz des Donau-Instituts für Interdisziplinäre Forschung Budapest, des Österreichischen Kulturforums Budapest, der Doktorschule der Andrássy Universität Budapest, und des Netzwerks für Politische Kommunikation (netPOL) statt.
Als bedeutende Teilnehmer waren Zoltán Balog, der Ungarische Staatssekretär für soziale Integration und Rita Izsák, UN-Beauftragte für Minderheitenfragen zur Konferenz über die Realitäten und Perspektiven der Roma-Strategien der Europäischen Union an der deutschsprachigen Andrássy Universität Budapest (AUB) am 24. November 2011 geladen Izsák stellte die Ziele der ungarischen Roma-Strategie vor. Diese wird, zusammen mit den 26 anderen nationalen Roma-Strategien bis Ende des Jahres in Brüssel vorgelegt – so lautet die Zielvereinbarung der EU 27, die einer der größten Erfolge der ungarischen Ratspräsidentschaft ist.
Staatssekretär Zoltán Balog: „Von den rund 750.000 Roma in Ungarn leben etwa die Hälfte in tiefer Armut.”
Die nationalen Roma-Strategien gliedern sich in vier Bereiche auf: Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Wohnverhältnisse. Zentraler Aspekt dabei ist der Schutz und die Wahrung der Grundrechte. Auch die ungarische Strategie hat als eines ihrer wichtigsten Ziele die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Kampf gegen Diskriminierung formuliert. Weitere zentrale Punkte der Strategie sind die Verbesserung des Bildungsniveaus der Roma sowie die landesweite Erhöhung und Angleichung der Ausbildungsqualität in den Schulen. Die Verbesserung der Wohnqualität und des Gesundheitszustandes sind ebenfalls feste Bestandteile des ungarischen Programms, so Izsák, die selber der Beás-Gruppe der Roma angehört.
Zwei zusätzliche Elemente in ungarischer Roma-Strategie
Zoltán Balog hob die ungarische Besonderheit der Roma-Strategie hervor, die zwei zusätzliche Elemente in das Roma-Programm aufgenommen hat: innere Sicherheit und Kultur. Die zwei Extras setzen sich einerseits mit der Kriminalität und dem Menschenhandel, andererseits mit der kulturellen Identität der Roma auseinander. Das ungarische Programm setzt auf territoriale Lösungen. Das heißt, dass Lösungsstrategien abhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand der Regionen angegangen werden. Dabei rücken die ländlichen Regionen im Nordosten und Osten des Landes in den Fokus des Strategieplans.
Rita Izsák (mi.) stellte bei der Konferenz an der Andrássy Universität die Ziele der ungarischen Roma-Strategie vor.
In Ungarn leben insgesamt rund 750.000 Roma
Balog präsentierte auch offizielle Daten zur Roma-Minderheit. Demnach leben in Ungarn heute rund 750 Tausend Roma – davon etwa die Hälfte in tiefer Armut. In Gesamtungarn gibt es ungefähr 1,2 Millionen Menschen, die ein Dasein in tiefer Armut fristen. Die Armut ist also nicht nur eine Roma-Frage, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, so Balog. Erschreckend ist allerdings das durchschnittliche Lebensalter der ungarischen Roma, das weit unter dem Landesdurchschnitt liegt. Roma sterben im Schnitt zehn Jahre früher als Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Ihre Lage hat sich in den vergangenen 20 Jahren verschlimmert.
Beide Referenten betonten die Erfolge der Roma-Politik. Balog bezeichnete als wichtigsten Erfolg der nationalen Strategie Rita Izsák, die bei den UN die Roma erfolgreich vertritt. Balog unterstrich außerdem die Wichtigkeit eines weiteren Ausbaus der Minderheiten-Selbstverwaltungen. Heute gibt es rund 6000 Vertreter der Roma auf kommunaler Ebene. Die ambivalente Natur der Roma-Frage zeigt sich jedoch bei den Umsetzungsproblemen der Integrationsstrategie. Zurzeit herrsche ein „Ethnobusiness“ in Ungarn. „Wenn Geld aus Brüssel kommt, sind alle Roma da. Wenn die Polizei anklopft, sind sie alle weg“, so Balog. Izsák nannte als eines der Hauptprobleme die Schwierigkeit, die Roma zu definieren: „Wer sind die Roma? Wie definiert man Roma?“ Sie sprach auch das Problem an, dass es in Hinblick auf die Roma bislang an zuverlässigen Daten gefehlt habe. Die Stärkung der Roma-Forschung sei deshalb eine dringende Notwendigkeit.
Während der EU-Ratspräsidentschaft „hat Ungarn die schmutzige Wäsche ohne vorhandenes Waschmittel ins Schaufenster gestellt“. Nun aber hat Ungarn eine nationale Roma-Strategie, in der Schwachpunkte klar aufgezeigt werden. „Die Aufgabe der Regierung ist es jetzt, in der ambivalenten Situation richtig zu handeln und die Roma bei der Umsetzung einzubeziehen“, betonte Balog.
Roma-Integration ist in Österreich eine Erfolgsgeschichte
An der Konferenz nahm auch Iovanca Gaspar teil, die in Österreich zu den ersten Roma gehört, die ein Diplom erworben haben. Sie referierte über Roma in Österreich, deren Integration im Vergleich zu den ungarischen Roma als Erfolgsgeschichte zu betrachten sei. János Gyurok, Forscher am Institut für Romologie an der Universität Pécs, berichtete über seine Forschungsergebnisse, die er aus langjährigen Feldforschungen gewonnen hat sowie über die Entwicklung der Minderheitenrechte in Ungarn. Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurden Erfolge und Misserfolge der aktuellen ungarischen Roma-Politik sowie Maßnahmen zur Bekämpfung des Minderheitenproblems angesprochen. An der Diskussion nahmen Wissenschaftler, Leiterinnen der Burratino Grund- und Fachmittelschule und der Burratino Kindertagesstätte sowie Politiker aus K?bánya teil. Der Vorsitzende der Selbstverwaltung der Roma-Minderheit in K?bánya, István Fehér, machte klar, dass das Roma-Problem in erster Linie die Roma selbst lösen müssten. In Hinblick auf die Integrationsdebatte forderte er Verständnis dafür ein, dass eine Integration nur schrittweise und langfristig erreicht werden könne. „Wir können nicht vom Erdgeschoss gleich in die 10. Etage hochklettern“, so Fehér.
Bildung als Mittel zur Bekämpfung des Roma-Integrationsproblems
Die Teilnehmer waren darin einer Meinung, dass Bildung das optimale Mittel zur Bekämpfung des ungarischen Roma-Integrationsproblems sei und dass die Roma-Strategie eine einmalige Chance für die Roma in Europa biete.
Die Konferenz endete mit Vorträgen von jungen Nachwuchswissenschaftlern der Andrássy Universität.