„Unser Geschäft in Ungarn läuft sehr gut“
Nicht zuletzt dank eines breiten, marktadäquaten Produktportfolios kann die BASF Hungaria Kft. erneut auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken. In fast allen Segmenten kann Geschäftsführer Herbert Fisch auf ein zweistelliges Umsatzwachstum verweisen.
BASF-Geschäftsführer Herbert Fisch: „Wir denken in globalen Dimensionen.”
Wie war das aktuelle Jahr bis jetzt?
Ausgezeichnet! Obwohl wir mit den Ergebnissen von 2010 eine starke Basis hatten, konnten wir beim Umsatz erneut ein zweistelliges Wachstum erzielen. Damit steht unsere ungarische Gesellschaft übrigens nicht alleine da, auch in vielen anderen Ländern meines Verantwortungsbereichs Südosteuropa legten die BASF-Töchter in diesem Jahr wieder dynamisch zu. Auch weltweit wird das Jahr 2011 als ein gutes in die Geschichte von BASF eingehen. Das stärkste Wachstum hatten wir in Südosteuropa übrigens in Rumänien und Bulgarien. Selbst, wenn wir berücksichtigen, dass wir hier von einem vergleichsweise niedrigen Niveau kommen, ist dieser Zuwachs dennoch sehr beeindruckend. Er rührt unter anderem vom Nachholbedarf der dortigen Infrastruktur und der Entwicklung der Landwirtschaft her. So wird etwa in Sofia die Metro ausgebaut und sind in Bosnien riesige Staudammprojekte in der Planung. Außerdem wird in diesen Ländern auch viel in den Ausbau der Schnellstraßennetze investiert, was uns insbesondere interessiert, wenn dabei Tunnel errichtet werden, da dabei Betonzusatzprodukte von uns zum Einsatz kommen können. Die großen Infrastrukturprojekte in meinem Verantwortlichkeitsbereich sind momentan definitiv nicht in Ungarn.
Wie verteilt sich das Wachstum Ihrer Firma auf die einzelnen Bereiche?
Sehr starke Zuwächse konnten wir in den Bereichen Kunststoffe, Chemikalien und speziell bei Spezialchemikalien verzeichnen. Auch bei Detergenzien für Wasch- und Reinigungsmittel konnten wir gut zulegen. Gefreut haben wir uns auch über das überraschend gut ausgefallene Wachstum im Agrarbereich. Die Erträge und Preise für Agrarprodukte sind auch in Ungarn gestiegen. Dadurch kommt mehr Geld auf den Markt, von dem letztlich auch wir profitieren. Obwohl wir beim Thema Isolationsstoffe etwas zulegen konnten, sind wir im Baubereich nicht gewachsen.
Wie erklären Sie sich den leichten Umsatzzuwachs bei Dämmstoffen?
Dabei geht es vor allem um die Verbesserung der Energiewerte vorhandener Bausubstanz. Ganz wichtig in diesem Bereich sind übrigens permanente Subventionen durch den Staat. Ohne diese können sich die Hausbesitzer derartige Investition in die Isolation nur schwer leisten. Hier sehe ich in Ungarn noch Handlungsbedarf. Es gibt zwar Programme für die Sanierung von Plattenbauten, aber wenig konsistente, speziell für die Verbesserung der Wärmedämmung von Wohnhäusern. Dass sich der Absatz an Dämmstoffen in diesem Jahr leicht verbessert hat, darf aber nicht als Indikator für eine allgemeine, sich belebende Bautätigkeit gewertet werden. Nach wie vor ist die Baubranche am Boden. Das sehen wir ganz klar an unserem Absatz mit Betonzusatzprodukten.
Wovon ist Ihr Umsatz bei Kunststoffen und Chemikalien angetrieben?
Hauptsächlich von der Automobilindustrie, und hier vor allem durch den gestiegenen Export der Firmen. Wir sehen aber auch Tendenzen, dass auch der interne Verbrauch in Ungarn wächst. Bei der Automobilindustrie kommen wir übrigens mit einer ganzen Reihe unserer Produkte zum Zug. Angefangen von Kunststoffen über Flüssigkeiten für den Motorbereich – etwa Treibstoffadditive – bis hin zu Pigmenten in allen Varianten. Unsere Produkte sind in vielen Bauteilen enthalten, die von unseren Kunden hergestellt werden. Neben den Automotive-Firmen gibt es in Ungarn auch andere Wachstumsmotoren. Teilweise handelt es sich auch nur um einzelne Firmen, die unser Wachstum spürbar ankurbeln. So etwa ein großer Papierhersteller, dessen neue Produktionslinie letztes Jahr angelaufen ist und den wir mit wässrigen Dispersionen beliefern.
Bis auf die Bauwirtschaft haben Sie ein Produktportfolio, das scheinbar nur aus Zugpferden besteht.
Ja, dank unserer permanenten Anstrengungen haben wir ein Produktportfolio, das den Erfordernissen des Marktes sehr gut entspricht. Durch die 2009 erfolgte Übernahme von CIBA kamen viele Spezialitäten in unser Produktportfolio, die sich jetzt gut verkaufen, so etwa Pigmente für Kunststoffe und UV-Filter für Sonnencremes. Durch die Akquisition der Firma Cognis kamen weitere Produkte für die Schönheitspflege und Detergenzien zu uns. Auch von diesem Schritt profitieren wir inzwischen sehr. Auf der anderen Seite haben wir aber auch Produkte teilweise abgegeben. Den Bereich Styrol-Copolymere führen wir mittlerweile in einem Joint Venture mit Ineos in der Firma Styrolution. Die Portfolio-Optimierung ist ein laufender, dynamischer Prozess. Ständig schauen wir, was wirklich zu uns und unseren Märkten passt, welche Produkte noch eine gute Zukunft haben und welche nicht mehr. Die Entscheidungen darüber sind keine leichte Sache, weil sie relativ früh getroffen werden müssen, wenn das Produkt am Markt noch gut läuft. Das beste Beispiel ist der Verkauf unserer Kassettensparte. Obwohl die BASF mehr oder weniger das Tonband erfunden und sehr lange von dieser Produktgruppe profitiert hat, wurde dieser Bereich in den 90er Jahren aber dennoch verkauft, weil abzusehen war, dass der Lebenszyklus dieser Produkte seinem Ende entgegengeht. Flankiert wird die permanente Portfolio-Optimierung von permanenten Innovationen.
BASF verkauft in Ungarn nicht nur, sondern produziert auch. Wie geht es Ihrer Produktionstochter Poliuretán Hungária in Solymár?
Auch dieser Firma geht es geschäftlich gut. Nicht zuletzt dank vieler Aufträge aus dem Ausland. Im kommenden Jahr steht bei ihr die Investition in ein neues Lagerhaus auf dem Plan. Die Genehmigungen dafür sind bereits vorhanden.
Was halten Sie von der Wirtschaftspolitik der Regierung?
Wir kommen mit ihr klar. Schließlich werden wir auch von keiner Maßnahme direkt negativ berührt. Problematisch finde ich jedoch, dass viele Dinge häufig diskutiert werden – und damit für Unruhe gesorgt wird –, wenn sie noch gar nicht spruchreif sind. Viele Rahmenbedingungen ändern sich einfach viel zu schnell. Wir sehen schon, dass die Regierung mit allen Mitteln versucht, die Dinge zum Besseren zu verändern. Mehr Klarheit und Verlässlichkeit wären aber trotzdem vonnöten. Zurzeit haben wir es aber mit einem so unsicheren Umfeld zu tun, dass selbst wir uns nicht mehr sicher sein können, ob nicht auch uns irgendwann einmal eine Sondersteuer auferlegt wird.
Gibt es Pläne, in Ungarn weitere Produktionsstätten zu errichten?
Es gibt kein konkretes Investitionsprojekt. Für uns ist es aber schon jetzt wichtig zu wissen, was wir in diesem Fall in Ungarn erwarten können. Es gibt immer wieder Erweiterungen in unserer Gruppe, bei deren Entscheidungsfindung es gut ist, unter andrem die Option Ungarn mit ins Kalkül ziehen zu können. Ungarn ist ein interessantes Land mit gut ausgebildeten Leuten und einer vergleichsweise gut ausgebauten Infrastruktur. Es gibt viele Vorteile hier, die man einfach auch nutzen sollte. Bisher haben wir in der Region zwei Bauchemieproduktionen, eine in Kroatien und eine in Rumänien, und dann die Poliuretán hier in Solymár. Das sind alles keine riesigen Fabriken, die sehr lokal orientiert produzieren. Davon könnte es aber in Zukunft mehr geben, auch in Ungarn. Die Investitionsberatungsbehörde HITA leistet in Sachen Beratung übrigens eine gute Arbeit.
Wo sehen Sie bei den wirtschaftspolitischen Themen Verbesserungsbedarf?
Etwa beim Steuerwesen. Hier wird zu viel geredet und über neue Steuern oder andere Steuersätze offen spekuliert und letztlich dann wenig beschlossen. Das ist für ein Unternehmen nicht einfach. Momentan ist das auch unser größtes Problem. Bei allen notwendigen Diskussionen muss die Administration lernen, bei einem neuen Gesetz auch einmal einen Punkt zu setzen und dann nicht gleich wieder einen Monat später nachzubessern. Für die Unternehmen ist es wichtig, dass sie sich auf etwas einstellen und sich fest darauf verlassen können. Das Arbeitsrecht ist ein weiteres Thema, bei dem im Moment einfach zu viele Fragen in der Schwebe sind. Es wäre auch gut, vor den Entscheidungen mit den betroffenen Branchen zu sprechen. Hier bietet beispielsweise die Deutsch-Ungarische Industrie und Handelskammer eine gute Plattform. Für die Geschäftsführer der in Ungarn ansässigen ausländischen Firmen gibt es zurzeit zu viel Erklärungsbedarf bei den Mutterfirmen.
Spüren Sie auch einen Erklärungsbedarf hinsichtlich der politischen Maßnahmen der Orbán-Regierung?
Durchaus! Auch das politische Umfeld ist für uns sehr wichtig und wird stark beachtet. Nicht zuletzt bei weiteren Investitionen ist es enorm wichtig, in welchem Umfeld sie stattfinden. Bei Investitionsentscheidungen kommt auch den politischen Aspekten ein wichtiger Stellenwert zu. Länder wie Polen, die hier sehr rational und solide agieren, können dabei gut punkten. Die starke Beachtung der politischen Verhältnisse hat handfeste Gründe. So ist es etwa für uns nicht unerheblich, wie sich das Verhältnis zur EU gestaltet, wie rasch und gründlich Regularien übernommen werden. Wir beschäftigen in meiner Region rund 1.100 Leute, davon 120 in Ungarn. Da haben wir natürlich ein großes Interesse daran, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen in etwa vergleichbar sind. Wir sind eine Firma, die in europäischen beziehungsweise globalen Dimensionen denkt. Nationale Alleingänge einzelner Länder gehen für uns mit unnötigem Aufwand einher.
Das i-Tüpfelchen wäre sicher noch eine gemeinsame Währung?
Das ist für uns nicht das Wichtigste. Im Moment sehen wir beim Gleichziehen der nationalen Gesetzgebungen den größeren Handlungsbedarf.