Ungarische Regierung schätzt Produktionsunternehmen
Im Rahmen der kürzlich erfolgten Grundsteinlegung der Robert Bosch Kft. für ihre neue Budapester Zentrale (siehe Budapester Zeitung Nr. 43) sprachen wir mit Geschäftsführer Thomas E. Beyer über die Hintergründe dieser Investition und allgemein über den Wirtschaftsstandort Ungarn.
Bosch-Geschäftsführer Thomas E. Beyer: Ein flexibles Arbeitszeitmodell wäre vorteilhaft.
Wann werden Sie Ihre neue Zentrale beziehen können?
Ich gehe davon aus, dass der Einzug im Frühjahr 2013 erfolgen wird. Damit wird unser Bauvorhaben aber noch nicht abgeschlossen sein. Schon jetzt ist abzusehen, dass unser Platzbedarf selbst dann noch nicht befriedigt sein wird. So beginnen wir parallel zum Bau des ersten Abschnitts jetzt zugleich auch mit der Planung von weiteren Ausbaustufen. Die Phase eins ist von vornherein so ausgelegt, dass die entstehenden Gebäude modular erweiterbar sind. Dabei kommt uns zugute, dass wir in den vergangenen Jahren ein ausreichend großes Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer bisherigen Firmenzentrale erwerben konnten. Zusammen mit der notwendigen Parkfläche werden wir in der ersten Phase nur etwa ein Viertel des Geländes bebauen.
Sie müssen sich ziemlich sicher gewesen sein, dass Sie ein so großes Gelände auch brauchen werden.
Einen Zuschlag, geschweige denn ein Budget für den weiteren Ausbau gibt es von Seiten unserer Zentrale zwar noch nicht. Aber ich will es mal so sagen: Wir haben sehr gute Argumente dafür, dass es mit dem Ausbau weitergeht und unsere Zentrale die Errichtung weiterer Gebäude genehmigt. Ungarn und speziell Budapest sind für unseren Konzern nach wie vor sehr interessant. Daher haben wir auch die Zustimmung erhalten, die flächenmäßigen Voraussetzungen zu schaffen, um in Zukunft mehr bauen zu können, als wir momentan genehmigt bekommen haben.
Es hat sich ganz schön hingezogen, bis endlich der Grundstein für die Phase eins gelegt werden konnte.
Ja, es gab gewisse administrative Herausforderungen. So mussten wir dafür sorgen, dass die Eigentümerfrage des neuen Grundstücks restlos geklärt ist, damit zukünftige Entscheidungen ohne Probleme getroffen werden können. Hier hatten sich für uns gewisse unerwartete Verzögerungen ergeben. Wir hatten aber noch Glück, dass diese mit der Krise zusammengefallen waren. In dieser Zeit hatte Bosch seine Investitionsentscheidungen natürlich sehr selektiv getroffen und viele Projekte auf Eis gelegt. Als die Konjunktur in der Automobilindustrie aber wieder ansprang, dauerte es nicht lange bis sich der Bedarf nach zusätzlichen Produktions- und Forschungskapazitäten wieder in aller Deutlichkeit zurückmeldete. Mit einem derartigen Rückenwind fallen einem so große Investitionsentscheidungen wie die Errichtung unserer neuen Zentrale jetzt natürlich leichter. Klar hätte ich mich gefreut, wenn wir den Grundstein schon vor einem halben Jahr hätten legen können. Insgesamt haben die entstandenen Verzögerungen unseren Zeitplan aber nicht signifikant verändert. Jetzt hoffe ich, dass es mit dem Bau gut vorangeht und dass wir einen möglichst milden Winter bekommen. Ich bin optimistisch, dass wir wirklich im Frühjahr 2013 einziehen können.
Wer genau wird dann einziehen?
Die neuen Gebäude decken nur unseren durch unser signifikantes Wachstum bei unseren Entwicklungsingenieuren entstandenen Bedarf an neuen Flächen ab. Neben unserem Zuwachs an Entwicklungsingenieuren werden auch Abteilungen und Bereiche einziehen, die wir bis dahin auslagern mussten. Unsere bisherigen angemieteten Immobilien, in denen unsere Zentrale und unser Entwicklungszentrum untergebracht sind, werden wir auch über 2013 hinaus weiter halten. Neben den ausgelagerten Einheiten wird auch Bosch-Rexroth in den neuen Gebäudekomplex einziehen. Bisher war diese Firma in Budapest nicht optimal untergebracht. Statt sich voll auf ihr Geschäft zu konzentrieren, muss sie sich an ihrem jetzigen Standort mit vielen zusätzlichen logistischen Problemen herumschlagen.
Ein Baubeginn, der Auslagerungen komplett überflüssig gemacht hätte, hätte Ihnen sicher viel zusätzlichen Aufwand erspart.
Trotz der Verzögerungen durch administrative Probleme und die Krise hätte es aber auch so eine Übergangszeit mit gewissen Kompromisslösungen gegeben, in der wir um Auslagerungen nicht herumgekommen wären. Wir sind einfach zu schnell gewachsen beziehungsweise die Angebote, die wir von hier aus unserem Konzern unterbreiten, werden von ihm stärker geschätzt und angenommen als zuvor erwartet. Bis vor einigen Jahren war es uns noch möglich, unsere Flächen gleitend dem Bedarf anzupassen.
Was macht Ihren Standort so attraktiv?
Vor allem was Budapest betrifft werden die Leistungsbereitschaft und Kreativität der ungarischen Ingenieure geschätzt. Auch die räumliche und kulturelle Nähe zu Deutschland fällt für Ungarn positiv ins Gewicht. All diese Vorteile werden wir weiterhin anbieten. Wir haben nicht vor, wegen der verzögerten Fertigstellung unserer neuen Gebäude langsamer vorzugehen. Wir werden schon zusätzliche Möglichkeiten finden, um die Zeit überbrücken und neue Mitarbeiter einstellen zu können. Auf jeden Fall ist jetzt der Tag abzusehen, an dem alle ausgelagerten Bereiche wieder unter einem Dach vereint sein werden.
Zumal unter einem Dach, das räumlich so nahe ist. Haben Sie sich trotzdem nach Alternativen umgeschaut?
Freilich haben wir uns vor unserer Entscheidung für das nahegelegene Eckgrundstück auch nach Alternativen umgesehen. Wir haben sie jedoch alle verworfen. Hauptsächlich deswegen, weil sie zu dezentral waren oder keine vernünftige Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr hatten. Unser neuer, alter Standort ist mit seiner Metroanbindung dagegen perfekt. Auf der anderen Seite sind wir hier aber auch noch relativ stadtnah. Und, was wir auch nicht vergessen sollten, wir haben es nicht weit zum Flughafen, was wiederum für unsere internationalen Kontakte wichtig ist. Von daher ist unsere Entscheidung, praktisch an unserem alten Standort zu bleiben, keine Kompromiss-, sondern eine Vorzugslösung.
Was halten Sie von der Wirtschaftspolitik der Regierung?
Bisher haben wir als Produktionsunternehmen anders als beispielsweise Banken und Energieunternehmen mit der Regierung keine schlechten Erfahrungen machen müssen. Wir werden bis jetzt auch von keinerlei Sondersteuern direkt berührt. Die Kompensationszahlungen für Geringverdiener müssen wir für den Konzern noch als Ganzes bewerten. Es ist klar zu spüren, dass die Regierung Unternehmen, bei denen produziert und geforscht wird, sehr schätzt – egal ob es sich dabei um in- oder ausländische Unternehmen handelt.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?
Es wäre sicher vorteilhaft, wenn wir in Ungarn ein flexibles Arbeitszeitmodell hätten. So könnten wir die Saisonalität auf der Nachfrageseite besser auf der Produktionsseite abbilden. Handlungsbedarf sehe ich aber auch bei der Administration. Hier sind gewisse Dinge einfach noch zu komplex und schwierig. Gerade konnten wir bei der Einholung der Genehmigungen für unseren Neubau eine Kostprobe davon bekommen. Als weiteren Punkt würde ich die Rechtsprechung nennen. Sie sollte schneller und vorhersehbarer arbeiten. Den Interpretationsspielraum finden wir momentan einfach zu hoch. Ein Investor mag keine plötzlichen Überraschungen, er möchte, dass sich die Dinge möglichst vorhersehbar und planbar gestalten. Dazu gehört weiterhin auch eine optimale Kommunikation. Hier hat die Regierung inzwischen aber viel dazugelernt und bemüht sich um einen guten Dialog mit den ausländischen Investoren.
Davon konnten Sie sich kürzlich bei der Eröffnung in Miskolc sogar persönlich überzeugen.
Ja, im Rahmen der Eröffnung hatten wir ein intensives Gespräch mit Ministerpräsident Viktor Orbán. Es hatte wesentlich länger gedauert als geplant. Ich habe ihn dabei als aufgeschlossenen und pragmatischen Menschen erlebt, der sehr an einer Zusammenarbeit mit der Industrie interessiert ist. Ausführlich ließ er sich die Probleme schildern, mit denen wir zu tun haben und hörte sich aufmerksam unsere entsprechenden Vorschläge an. Er ist sehr daran interessiert, von der Wirtschaft Konzepte und Ideen zu erhalten, die seine Regierung dann durchsetzen kann. Insgesamt war es ein sehr angenehmes Gespräch, das mein Bild von Ministerpräsident Orbán außerhalb der Berichterstattung in deutschen und österreichischen Medien deutlich differenzierte.
Wie wichtig ist die inzwischen viel kritisierte Flat tax für einen Investor wie Bosch?
Sie ist ein überzeugendes Modell, das ganz sicher zur Attraktivität des Standorts Ungarn beiträgt. Generell ist für uns wichtig, dass es ein Steuersystem gibt, das die Schwarzarbeit minimiert. Nicht zuletzt auch im Engineering-Bereich werden wir immer wieder mit Unternehmen konfrontiert, die ihre Mitarbeiter schwarz bezahlen. Da können wir nicht mithalten. Nettolöhne in dieser Größenordnung können wir bei uns nicht legal und wirtschaftlich darstellen. Wir sind daher für jede Maßnahme, die darauf hinwirkt, dass mehr Unternehmen in diesem Land Steuern zahlen. Wenn die flat tax in diese Richtung wirkt und das ist sehr wahrscheinlich, dann können wir sie nur begrüßen. Per se brauchen wir aber nicht zwangsweise eine Flat tax, sondern ein Steuersystem, bei dem möglichst viele einzahlen.
Die Grundsteinlegung war zugleich Ihre letzte große offizielle Handlung als Geschäftsführer der Robert Bosch Kft.
Ja, ab dem 1. Dezember übernehme ich als Vice President für die Region South Eastern Europe bei Bosch die Verantwortung für den sogenannten Automotive Aftermarket. Dabei geht es um Autoersatzteile oder – nicht ganz so kurz – um Kraftfahrzeugsausrüstungshandelserzeugnisse von Zündkerzen bis hin zu Startmotoren, insgesamt etwa rund 400.000 Produkte. Ich werde dann für elf Länder von der Adria bis zum Schwarzen Meer verantwortlich sein. Da die Regionenbasis für diesen Bereich Budapest ist, wird sich an meinem Lebens- und Arbeitsmittelpunkt aber nichts ändern.
Warum verlassen Sie Ihren bisherigen Verantwortungsbereich ausgerechnet an dieser entscheidenden Wegmarke, zu Beginn des Baus Ihrer neuen Zentrale?
Ursprünglich komme ich ja aus dem Vertrieb. Nachdem ich jetzt fünf Jahre etwas entfernter von dieser Materie zu tun hatte, hat es mich einfach wieder zu diesem Bereich zurückgezogen. Meinen Vertrag für meine bisherige Position in Budapest hatte ich ohnehin schon einmal verlängert. Und fünf Jahre in einer Position sind heutzutage schon eine lange Zeit. Meine Firma hat in dieser Zeit eine gewaltige Entwicklung durchgemacht. Als ich im Herbst 2006 kam, hatten wir in Budapest etwa 300 Mitarbeiter, heute sind wir hier knapp 800 Personen. Im Nachhinein könnte man meinen, diese Entwicklung wäre ein Selbstläufer und der ganz normale Lauf der Dinge gewesen. Aber weit gefehlt: Jeder Ausbaustufe und jedem Auftrag unseres Konzerns an Budapest gingen immer wieder gründliche Vorbereitungen und viel Überzeugungsarbeit voraus. Ständig mussten wir aufs Neue unseren Mehrwert und unsere Wettbewerbsfähigkeit beweisen. Jeder kleine Schritt bei uns erfolgte vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs im Konzern. Dank unserer intensiven Anstrengungen hatten und haben wir dabei gute Karten. Ich gehe davon aus, dass sich daran auch unter meinem Nachfolger, dem Spanier Javier González Pareja, nichts ändern wird.