Mit im Boot bei der Erfolgsgeschichte Gy?r
Ende September hat die Beratungsfirma PWC in Gy?r ein eigenes Büro mit in Kürze zwanzig Mitarbeitern eröffnet. Über die Hintergründe, die zu seiner Gründung führten und darüber, was man sich von diesem Schritt erhofft, sprach die Budapester Zeitung mit den beiden Leitern der neuen Niederlassung, den Wirtschaftsprüfern Kornélia Lett und Dieter Joachim Böhm, sowie Armin Krug, der bei PWC schon seit Jahren im Rahmen der German Business Group die Belange deutscher Mandanten unterstützt.
Es gibt viele Unternehmen in Gy?r, denen das Knowhow lokaler Berater für ihr weiteres Wachstum nicht mehr ausreicht.
Wie entwickelt sich die Wirtschaftsregion Nordwestungarn?
Kornélia Lett: Sie entwickelt sich nach wie vor sehr dynamisch und weit über dem Landesdurchschnitt. Im letzten Jahr wuchs die Wirtschaftsleistung des Komitats Gy?r-Moson-Sopron gegenüber 2009 um 20 Prozent und im ersten Halbjahr dieses Jahres um elf Prozent.
Stößt das Wachstum in Gy?r insbesondere was die Versorgung mit entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften betrifft nicht langsam an Grenzen?
Armin Krug: Die Stadtverwaltung unternimmt sehr viel, um die permanente Versorgung mit Arbeitskräften sicherzustellen. Sie bemüht sich intensiv und teilweise unter Einbeziehung von Investoren vor Ort um eine Modernisierung der Gy?rer Ausbildungsinfrastruktur. Im Zuge der Eröffnung unseres Büros habe ich Bürgermeister Zsolt Borkai als einen sehr agilen, zielstrebigen Mann kennengelernt. Er hat viele Ideen bezüglich neuer Infrastrukturprojekte für seine Stadt, etwa die Konversion des alten Rába-Geländes, die weitere Sanierung der Innenstadt, den Bau weiterer Brücken und die Verbesserung der Kinderbetreuung. Um all dies zu verwirklichen, braucht er zusätzliche Steuereinnahmen, für die er wiederum weitere Investitionen braucht. Auf der anderen Seite ist er sich darüber im Klaren, dass sich Gy?r im Wettbewerb mit anderen Industriestandorten, nicht zuletzt mit dem slowakischen Bratislava befindet. Aus diesen Überlegungen heraus wird er auch künftig alles dafür tun, um seine Stadt als Standort für vorhandene und neue Investoren attraktiv zu halten. Die Erfolgsgeschichte Gy?r wird also weitergehen und wir sind ab jetzt mit im Boot.
Wie kam es zur Gründung Ihres Gy?rer Büros?
Dieter Joachim Böhm: Dieser Schritt ist für uns eine ganz natürliche Konsequenz unseres Wachstums. Auch in anderen Ländern der Region hat PWC eine ähnliche Entwicklung durchlaufen. In Polen und Tschechien gibt es schon seit Jahren neben der Zentrale in der Hauptstadt mehrere Regionalbüros. Gy?r ist für uns ein sehr interessanter Standort mit einem relativ großen Umfeld an Industriefirmen, aber auch Dienstleistungsunternehmen. Unser Schritt nach Gy?r hat jedoch auch ganz praktische Gründe: Die immer häufigeren Besuche von Mandanten in Gy?r selber oder in der Region und die damit verbundenen Reisen haben unsere Kollegen viel Zeit und Aufmerksamkeit gekostet. Zeit, die wir nun sinnvoller nutzen können. Es ist einfach effizienter mit einer kleinen Mannschaft ständig direkt vor Ort zu sein. Die jetzt erfolgte Büroeröffnung ist das Ergebnis einer anderthalbjährigen Planungs- und Sondierungsphase.
Dieter Joachim Böhm
Armin Krug: Es geht hier aber nicht nur darum, Reisezeit zu sparen. Die Gründung unseres Gy?rer Büros fügt sich auch in unsere weltweite Strategie PWC 2016, die von allen Mitgliedern unserer Gruppe ein ambitiöses Wachstum erwartet. In einer Potenzialanalyse sind wir in Ungarn zu dem Schluss gekommen, dass wir in Budapest und aus Budapest heraus nur noch geringfügig wachsen können. Auf der anderen Seite gibt es insbesondere auch in Nordwestungarn ein sehr dynamisches Wachstum. Ergo haben wir uns dafür entschieden, dort aktiv zu werden, wo es ein hohes Wachstumspotenzial gibt. Begonnen haben wir in Gy?r, unter anderem wegen der Überlegung, dass das Wachstum hier stark von der Automobilbranche getragen wird, also von einem Bereich, in dem wir als PWC weltweit sehr gut aufgestellt sind.
Ist es in der heutigen Zeit mit ihren modernen Kommunikationsmitteln überhaupt noch erforderlich, physische Präsenz zu zeigen?
Kornélia Lett: Unbedingt! Seit wir beschlossen haben, nach Gy?r zu gehen, haben wir unsere Kontakte mit der lokalen Gemeinschaft und der Stadtverwaltung intensiviert. Regelmäßig nehmen wir an verschiedenen Veranstaltungen der dortigen Wirtschaft teil. Seit bekannt ist, dass wir vor Ort mit einem eigenen Büro aktiv werden wollen, werden wir ganz anders wahrgenommen. Als Unternehmen mit einem lokalen Standbein werden wir viel besser akzeptiert und offener empfangen als zuvor, als wir noch eine reine Budapester Firma waren. Eine lokale Präsenz ist auch für den Aufbau von Vertrauen sehr wichtig.
Armin Krug: Die direkte Tuchfühlung mit den Leuten vor Ort kann durch nichts ersetzt werden. Nur so können wir ihre Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche authentisch kennenlernen. Nicht zuletzt geht es hier auch um Respekt. Wenn ich etwas von jemandem will, sei es sein Vertrauen und schließlich seine Aufträge, muss ich auf ihn zugehen und sollte ihm möglichst nicht vom hohen Budapester Ross herab Ratschläge geben. Wenn ich mich, sobald ich den Auftrag in der Tasche habe, ins Auto Richtung Budapest setze und mich danach kaum noch beim Mandanten blicken lasse, dann kommt das nicht so gut an. Viel besser fürs Vertrauen ist, wenn man auch weiterhin vor Ort direkt ansprechbar ist. Das wird geschätzt und auch genutzt. Wir merken das sogar jetzt schon bei bestehenden Mandanten, mit denen wir eine viel höhere Meetingfrequenz haben als zuvor. Auch haben wir in der kurzen Zeit schon ein neues Mandat gewonnen. Einfach weil wir physisch vor Ort sind. Ein klassisches Beispiel für die These, wonach sich das Angebot seine Nachfrage schafft.
Armin Krug
Dieter Joachim Böhm: Was wir nicht wollen ist, den Big Four-Gedanken von Budapest nach Gy?r zu transportieren. Wir wissen, dass unser globales Netzwerk eine unserer Stärken ist. Auf der anderen Seite kann es aber auch zu einer Schwäche werden, weil man als zu groß, zu unflexibel und unnahbar betrachtet wird. Genau diesen Eindruck gilt es zu vermeiden. Dabei hilft uns natürlich, dass wir in Gy?r nun mit einem kleinen, flexiblen Team vor Ort sind.
All das klingt plausibel. Warum haben Sie trotzdem so lange gezögert?
Armin Krug: Bisher gab es in Budapest ausreichend Wachstumspotenzial. Generell war natürlich bis zur Krise auch das Geschäftsklima günstiger. Beides hat sich zum Negativen hin geändert. Die Zeiten, wo man als Big Four einfach nur dasaß und wartete, bis das Telefon klingelt – jetzt übertreibe ich ein wenig – sind vorbei. Wer heute erfolgreich sein will, muss sich bücken, muss raus aus der Komfortzone, muss sich auf seine potenziellen Kunden zubewegen, muss sich aktiv um Neugeschäft kümmern und darf mit seinen Angeboten nicht hinterm Berg halten. Wir sind beispielsweise nicht nur bei der Beratung von Großunternehmen gut aufgestellt, sondern – was weniger bekannt ist – haben auch Mandanten aus dem Mittelstand viel zu bieten. Das ist eine der Botschaften, die wir unseren potenziellen Kunden vor Ort in Gy?r vermitteln wollen. Unseren Gy?rer Mitarbeitern haben wir eingeschärft: Verkauft nichts! Zeigt Interesse! Hört zu und schaut Euch um, welche Probleme die Firmen haben. Wenn man all das nicht weiß, kann man vor Ort auch niemanden richtig beraten.
In Gy?r hat keiner auf PWC gewartet. Auch bis jetzt haben die Firmen vor Ort Partner, die ihnen etwa bei der Wirtschaftsprüfung oder Buchhaltung unter die Arme greifen.
Kornélia Lett: Gy?r ist eine sehr entwickelte Region. Es gibt hier viele Unternehmen, denen das Knowhow lokaler Berater für ihr weiteres Wachstum und die Erhöhung ihrer Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr ausreicht.
Armin Krug: Wir bieten Dienstleistungen an, die es hier bisher noch gar nicht oder nicht in der Tiefe gab wie Subventions- und Investitionsberatung, Prozessoptimierung und Verbesserung des IT-Managements. Dabei helfen uns sowohl unser gewaltiges in Budapest aufgebautes Knowhow als auch unsere langjährigen Erfahrungen und natürlich unser weltweites PWC-Netzwerk. Es geht hier übrigens nicht um eine Einbahnstraße. Ebenso wie wir ungarischen Firmen vor Ort helfen, sind wir auch für ausländische Firmen mit Investitionsinteresse an der Region Westungarn da.
Werden Sie außerhalb von Budapest mit speziellen, günstigeren Preisen Ihre Chancen im Wettbewerb mit lokalen Anbietern erhöhen?
Armin Krug: Wettbewerb gibt es überall. Aber weder in Budapest noch in der Region Nordwestungarn ist es unser Ansatz, uns Mandate über künstlich niedrig gehaltene Gebühren zu „kaufen“. Prinzipiell sehen wir uns immer an, was der Mandant wirklich braucht. Das volle Programm oder nur einen speziellen Lösungsansatz. Es geht ja immer einzig und allein um Lösungen. Diese müssen so beschaffen sein, dass der Mandant ihren Wert für sein Unternehmen klar erkennt, dann wird er auch ohne Probleme bereit sein, uns entsprechend zu bezahlen. Für unsere Dienstleistung gibt es keinen Marktpreis wie bei einer Commodity. Wir schaffen dem Mandanten Werte, die wir auch bezahlt haben wollen.
Dieter Joachim Böhm: In unserer Aufbauphase in Gy?r werden wir auch nicht gleich über Preise und Produkte reden. Im Moment geht es uns erst einmal darum, über persönliche Beziehungen eine Vertrauensbasis zu schaffen. Wir wollen die Region sowie ihre Unternehmen und Unternehmer besser kennenlernen und Kontakte knüpfen. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass wir bei vielen Dienstleistungen teurer sein werden als lokale Anbieter, da diese durch unsere qualitative Aufstellung nicht vergleichbar sind. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass wir dadurch einen Mehrwert bieten können.
Kornélia Lett: Zurzeit steht der Verkauf bei uns nicht im Vordergrund. Wir befinden uns in der Investitionsphase. Jetzt geht es uns erst einmal darum, uns im Rahmen von Einzelgesprächen, Konferenzen und Workshops vorzustellen und auf unsere Möglichkeiten aufmerksam zu machen.
Wie schnell wollen Sie profitabel sein?
Dieter Joachim Böhm: Gewisse Mandate aus der Region werden derzeit bereits von der Budapester Zentrale an unser Gy?rer Büro übergeben, sodass von Anfang an eine Grundauslastung gegeben ist. Wir haben uns ungefähr ein Jahr vorgenommen, um in die schwarzen Zahlen zu kommen.
Kornélia Lett: Unsere Kosten für Personal und Miete sind überschaubar. Mit Blick darauf, aber auch auf unsere ersten Erfahrungen vor Ort gehe ich davon aus, dass uns Büro rasch profitabel sein wird. Aber egal wie lange es dauern wird, unser Engagement vor Ort ist reiflich überlegt und langfristig ausgerichtet.
Armin Krug: Unser neues Büro muss sich in jedem Fall in Form von zusätzlichen Mandanten und einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit Bestandmandaten auszahlen. Das ist unsere Erwartungshaltung. Wird sie erfüllt, dann kommt die Rentabilität automatisch.
Mit Audi hat Ihr Büro auf jeden Fall schon einmal einen prestigeträchtigen Großkunden.
Armin Krug: In der Tat. Unser Büro wurde aber nicht für Audi eröffnet. Allerdings ist es eine Tatsache, dass Audi und ebenso das Volkswagen-Werk im nahegelegenen Bratislava die Herzstücke des dortigen Automobil-Clusters sind. Die Existenz dieser beiden Werke eröffnet Zulieferern eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Dieter Joachim Böhm: Natürlich haben wir im Vorfeld unserer Büroeröffnung auch unseren Mandaten Audi gefragt, was er von unserer Idee hält. Das entsprechende Feedback fiel ermutigend für uns aus. Insbesondere die schnellere und bessere Ansprechbarkeit wurde geschätzt. Ich möchte aber betonen, Gy?r steht nicht nur für Automotive-Industrie. In der Region sind auch Firmen zahlreicher weiterer Branchen vertreten, die wir ebenfalls gerne beraten würden.
Wie wird sich Ihr Büro weiterentwickeln?
Kornélia Lett: In der ersten Stufe haben wir ein 150 Quadratmeter großes Büro im Leier City-Center angemietet. Dies gibt Raum für etwa zwanzig Mitarbeiter. Die Kernmannschaft besteht am Anfang zunächst aus „Budapestern“. So werden auch mein Kollege Böhm und ich speziell für dieses Büro nach Gy?r umziehen. Kurzfristig werden wir so in der Lage sein, alle PWC-Grunddienstleistungen vor Ort anzubieten – Stichwort One-Stop-Shop. Wenn unsere PWC-Kultur erst einmal vor Ort etabliert ist, werden wir im weiteren Verlauf zunehmend Mitarbeiter vor Ort rekrutieren. Unser mittelfristiges Ziel ist ein Büro mit etwa 30 bis 40 Mitarbeitern.
Kornélia Lett
Ihr neues Büro wird also eine Miniaturausgabe Ihrer Budapester Zentrale sein?
Armin Krug: Durchaus, es wird ein voll funktionsfähiges Büro mit eigenen Mitarbeitern sein. Über die Grundausstattung hinaus wollen wir aber nicht alles duplizieren. Schließlich wird unser neues Büro fest mit der Budapester Zentrale und ihren Ressourcen verbunden sein. So wie in anderen PWC-Ländern wollen wir übrigens auch in Ungarn in einigen unserer Außenstellen ein Center of Excellence installieren. Es liegt auf der Hand, dass das Kompetenzzentrum Gy?r natürlich auf die Automobilindustrie zugeschnitten sein wird. In Zukunft soll dieses spezielle Knowhow dann sämtlichen Mandanten in Ungarn, aber auch in den Nachbarländern zugutekommen. Unser Gy?rer Büro wird aber nicht nur hinsichtlich seiner Aufstellung eine kleinere Ausgabe des Budapester Büros sein, sondern auch hinsichtlich dessen Philosophie. So wollen wir auch in Gy?r nicht nur Geld verdienen, sondern dem Standort auch etwas zurückgeben und uns in die dortige Community einbringen. Am ersten Oktober-Sonnabend haben wir beispielsweise zusammen mit einem Mandanten von uns einen ganzen Tag lang die heruntergekommenen Außenanlagen eines Gy?rer Kindergartens saniert. Außerdem haben wir kürzlich der Gy?rer Frauenhandballmannschaft über unsere gute Expertise helfen können, an Mittel der Nationalen Sportförderung zu kommen. Natürlich honorarfrei.