„Wir profitieren vom Unvermögen der Konkurrenz“
„Die positiven Maßnahmen der Regierung sollten besser kommuniziert und die negativen besser erklärt werden.“
Wie berühren Sie die staatlichen Maßnahmen bei den Devisenkrediten?
Nur marginal, weil wir so gut wie keine Privatkunden haben. Die neuen Maßnahmen des Staates beziehen sich ausschließlich auf Privatkunden, bei denen Wohnimmobilien als Sicherheiten für Devisenkredite existieren. Indirekt über den Markt und durch die von den Maßnahmen ausgehende negative Stimmung sind aber auch wir davon berührt.
Was halten Sie als quasi Nicht–Betroffener von den Maßnahmen des Staates?
Ich glaube der Preis, den das Land dafür zahlen muss, übersteigt deren Vorteile. Die Zielsetzung ist verständlich und nachvollziehbar, aber die Antwort nicht adäquat. Zumal von der Antwort überwiegend die guten Schuldner begünstigt werden, die ihre Devisenkredite vielleicht sogar aus eigener Kraft hätten tilgen können. Hier wird es Mitnahmeeffekte geben. Für die guten Schuldner stellen die neuen Maßnahmen des Staates eine willkommene Hilfe dar, für die anderen spielen sie kaum eine Rolle. Für die Banken bleibt am Ende eine riesige zusätzliche Belastung. Sollten viele Kunden von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen, dann wird dies sicher nicht ohne Folgen für die Bonität Ungarns bleiben. Natürlich kann es auch positive Effekte geben. Wenn das Volumen der Devisenkredite insgesamt sinkt, dann ist Ungarn natürlich auch weniger den negativen Folgen von Wechselkursschwankungen ausgesetzt. Dennoch werden die hohen Kapitalverluste einiger Banken nicht ohne Folgen für Ungarn sein. Die getroffenen Maßnahmen dienen also nicht so eindeutig wie gewollt den Interessen Ungarns.
Welche besseren Alternativen hätte es gegeben?
Es ist nicht meine Aufgabe, solche Ideen zu erarbeiten, es gab aber einige interessante Vorschläge in der Presse. Man hätte vielleicht nicht den Kurs fixieren sollen, sondern eher die ursprünglichen Referenzzinssätze und die Margen. So hätte man dafür sorgen können, dass sich die Belastung für die Schuldner in erträglichen Grenzen hält. Auch wäre sie juristisch nicht so anfechtbar gewesen, und es hätte auch nicht so viele negative internationale Schlagzeilen gegeben wie bei der getroffenen Regelung.
Welche Auswirkungen werden diese Regelungen auf Ihren Markt haben?
Es wird zu einer Neuaufteilung des Privatkundenmarktes kommen. Die Banken mit einem vergleichsweise eher geringen Portfolio an Devisenkrediten werden dabei zu den Gewinnern gehören. Wegen dieser unterschiedlichen Interessenlage gibt es diesmal auch keine derartige Einheitsfront der Banken gegen den neuerlichen staatlichen Eingriff in ihr Geschäft wie damals bei der Einführung der Bankensteuer.
Wer trägt die Verantwortung für die ausgeuferte Vergabe an Fremdwährungskrediten?
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit Mitte der 90er, als das Privatkundengeschäft in unserer Branche noch zweitrangig war. Alle ausländischen Banken stürzten sich nur auf die Firmenkunden und sahen hier das große Geschäft. Im Privatkundenbereich zu arbeiten, galt für einen Bankangestellten damals fast schon als Tätigkeit im Hintergrund. Dann belebte die erste Orbán-Regierung das Privatkundengeschäft mit staatlich geförderten Wohnraumkrediten. Mit einem Mal bekamen auch die Banken richtige Lust am Privatkundengeschäft. Zu allem Überfluss tauchte bei den Banken plötzlich auch noch die Möglichkeit der Vergabe von Devisenkrediten auf. Sie waren damals sogar noch preisgünstiger als die staatlich geförderten Wohnraumkredite. Der große Schwenk vollzog sich, als die neue sozialistische Regierung aus Budgetgründen von der staatlichen Förderung von Wohnraumkrediten absah. Zu diesem Zeitpunkt störte das aber niemanden mehr, es gab ja die Devisenkredite. Es waren also mehrere Faktoren, die zur entstandenen Situation beigetragen haben. Ganz am Anfang waren bei der Vergabe von Devisenkrediten übrigens solche Banken dabei, die eine relativ geringe Marktposition, kleine Volumina an Forint, dafür aber einen umso besseren Zugang zu Devisenmitteln hatten. Die anderen Banken sprangen dann aus Wettbewerbsgründen nach und nach auf den Zug auf. Bei den Banken, die damals von Anfang an mit dabei waren, handelte es sich übrigens genau um die Banken, hauptsächlich österreichischer Herkunft, die sich heute am stärksten beklagen.
Das sieht nach ausgleichender Gerechtigkeit aus. Erst werden Marktanteile künstlich erworben, dann gehen sie ebenso wieder verloren…
Durchaus. Ich halte aber nichts davon, nur die Banken einseitig in die Pflicht zu nehmen. Niemand musste in den Jahren des Devisenkreditbooms solche Kredite aufnehmen. Ich finde es nicht gut, wenn jetzt alle Schuld einseitig auf die „bösen Banken“ abgewälzt wird. Immerhin gab es bei der Finanzierung von Wohnraum auch viel Spekulation. Es ist natürlich nicht egal, ob es um das einzige Heim für eine Familie geht, die dritte Wohnung eines Besitzers oder um eine spekulative Investition. Hier müsste besser differenziert werden. Sollten die Banken mit ihren Klagen juristisch durchkommen, müssten die Steuerzahler für leichtsinnige Schuldner und gewiefte Spekulanten aufkommen. Das würde ich nicht gerecht finden.
Stellt die Verteuerung der Kosten für Devisenkredite nicht auch Ihre Firmenkunden vor Probleme?
Firmenkunden sind im Gegensatz zu Privatkunden überwiegend professionelle Wirtschaftsakteure mit Finanzexpertise. Bei ihnen gibt es also keine derartige Informationsasymmetrie. Zumeist sind Devisenkredite bei ihnen durch entsprechende Exporteinnahmen gedeckt, oder ihre inhärenten Risiken werden über Hedging unter Kontrolle gehalten. In der Regel ging es den Firmenkunden nicht um Spekulation, sondern um eine preiswerte Fremdwährungsfinanzierung mit überschaubarem Risiko. So haben Firmenkunden überwiegend Euro-basierte Kredite aufgenommen. Hier gab es jedoch keine so drastischen Veränderungen des Wechselkurses.
Ihre Firmenkunden haben diesbezüglich also keine Probleme.
Wenn sie Probleme haben, dann zumeist nicht primär wegen Kursschwankungen, sondern wegen der Nachfragesituation und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage. Wenn sie eine entsprechende Nachfrage haben, werden sie dafür auch die nötige Finanzierung finden. Wenn die Nachfrage zu akzeptablen Preisen führt, können sie die Kosten für die Finanzierung erwirtschaften. Firmen geraten in der Regel nicht wegen Wechselkursschwankungen in finanzielle Schieflage, sondern durch fehlende Nachfrage.
Wie ist die Stimmung bei Ihren Firmenkunden?
Den Produktionsunternehmen und darunter vor allem jenen, die für den Export produzieren, geht es sehr gut. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um ungarische oder ausländische Firmen handelt. Lediglich Firmen, die für den Binnenmarkt produzieren sowie Dienstleistern geht es nicht so gut.
Trotz guter Zahlen bei den produzierenden Unternehmen kommt das ungarische Wirtschaftswachstum nicht so recht von der Stelle.
Das liegt vor allem am Fehlen von öffentlichen Aufträgen. Das produzierende Gewerbe wächst ganz ordentlich. Der Binnenkonsum ist nicht viel schlechter als in anderen mittelosteuropäischen Ländern.
Von Seiten der Opposition gibt es den Vorwurf, dass der Staat zu stark spare.
Ich finde die Absicht der Regierung, die hohe Staatsverschuldung abzubauen, richtig und verständlich. Ich würde es aber begrüßen, wenn die Kommunikation besser wäre. Statt mehr Überraschungen brauchen wir mehr Konsultationen. Das müsste auch im Interesse des Staates liegen. Denn gäbe es eine bessere bilaterale Kommunikation, wären sicher auch die Risikokosten für die staatliche Finanzierung geringer. Zurzeit haben wir den eigenartigen Zustand, dass die Verschuldung des Staates zwar abnimmt, die Risikoaufschläge aber nicht sinken. Durch eine mangelnde Kommunikation fallen unsere Erfolge beim Schuldenabbau einfach unter den Tisch.
Wie steht es um die Sondersteuer für Finanzinstitutionen?
Auch dieses Thema gehört zu den eher wenig transparenten Themen. Ich gehe davon aus, dass sie bleiben wird. Glaubt man einigen Ankündigungen von staatlicher Seite, wird sich aber ihr Niveau verringern und dem Niveau der Bankensteuer in EU-Ländern angepasst. Aber Genaues wissen wir nicht. Im Übrigen halte ich die Bankensteuer für keine so große Tragödie. Wenn die Dinge gut laufen, sollte sie für Banken kein Problem sein. Wenn die Banken aber von mehreren Schlägen gleichzeitig getroffen werden, Bankensteuer, Devisenkreditmaßnahmen, schwächelnde Konjunktur und weitere Unsicherheiten, dann stellt sich für einige Banken die Frage nach dem Sinn ihres ungarischen Engagements – wohlgemerkt nicht uns. Einige Banken stellen sich zu Recht die Frage, warum sie sich in Ungarn um Marktanteile bemühen sollen, wenn die Wirtschaft nicht blüht und man nicht vor bösen Überraschungen von Seiten des Staates sicher sein kann. Dann sinkt natürlich auch die Motivation der Muttergesellschaften, ihre ungarischen Tochtergesellschaften zu weiterem Wachstum zu befähigen. Ich glaube, das ist ein Zusammenhang, den die Regierung offensichtlich nicht richtig versteht.
Könnte es dazu kommen, dass einige Banken den ungarischen Markt komplett räumen?
Diese Sorge halte ich vorläufig für unbegründet. Auswirkungen auf die Kapitalversorgung der Wirtschaft wird es aber auf jeden Fall geben. Die guten Kunden werden davon nichts spüren. Sie sind nach wie vor begehrt und finden immer eine Finanzierung. Was ist aber mit den durchschnittlichen und unterdurchschnittlichen? Diese werden es deutlich schwieriger haben, bei den zwangsläufig passiveren Banken eine Finanzierung zu finden mit all den daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Deswegen finde ich die vielen negativen Signale und die mangelhafte Kommunikation der Regierung bedenklich.
Alles nur eine Frage der Kommunikation?
Natürlich nicht alles, aber vieles. Es gibt viele Maßnahmen der Regierung, die prinzipiell positiv für die Wirtschaft sind. Denken wir nur an die Flat Tax oder die Verminderung der Körperschaftssteuer. Diese Maßnahmen sind gut für die Transparenz und die Verminderung der Schattenwirtschaft. Das Problem ist nur, dass unser Bild im Ausland nicht davon geprägt ist. Nicht zuletzt durch eine suboptimale Kommunikation der Regierung ist es eher negativ bestimmt. Wenn ich mit deutschen Kunden spreche, dann ist bei ihnen als erstes das Thema mit den Sondersteuern präsent – ob sie nun direkt davon betroffen sind oder nicht: dann haben viele von der Verstaatlichung der privaten Rentenkassen gehört – zumeist leider nur oberflächlich –, und schließlich haben viele von den politischen Maßnahmen der Regierung Orbán gehört. Am Ende entsteht ein Bild von einem Land, in dem die Steuern erhöht werden, in dem das Eigentum nicht sicher ist und dass sich auf eine Diktatur zubewegt. Wer will in einem solchen Land noch gerne investieren! Die positiven Maßnahmen der Regierung sollten also besser kommuniziert und die negativen besser erklärt werden. Diese Mühe sollte sich die Regierung im Interesse des Landes schon machen.
Wie geht es Ihrer Bank?
Trotz Sondersteuern, die uns jährlich mit etwa vier bis fünf Million Euro belasten, sind wir nach wie vor profitabel. Bisher hatten wir ein gutes Jahr, auch unsere weiteren Aussichten bewerte ich als positiv. Es klingt zwar paradox, aber in einem gewissen Sinne ist der enorme, auf den Wirtschaftsakteuren lastende Druck günstig für uns. Dieser Druck ist nämlich auch ein Härtetest für die Kundenbeziehungen der Banken. Gerade in solchen Zeiten erwarten Kunden von ihrer Bank verstärkte Flexibilität, rasche Entscheidungsfindung und eine individuelle Behandlung. Dazu sind aber insbesondere größere Banken immer weniger in der Lage. Bei diesen steht Risikovermeidung inzwischen höher im Kurs als die Befriedigung der individuellen Kundenbedürfnisse. Statt auf Wachstum sind ihre Strategien vor allem auf den Abbau oder zumindest das Eindämmen ihrer negativen Kreditportfolios ausgerichtet. Zu diesem Zweck werden beispielsweise die Kunden in verschiedene Schubladen gesteckt. Bei einigen Zehntausend Kunden ist es natürlich unmöglich, dass sich alle darin wohlfühlen. Insbesondere die guten Kunden, die leichter wechseln können, ziehen aus dieser unbequemen Lage, also aus einer ständigen Verkennung ihrer individuellen Bedürfnisse, rasch die Konsequenzen und sehen sich nach einer aufmerksameren Hausbank um. Bei der Commerzbank gibt es keine Schubladen. Jeder Kunde wird individuell bedient. Wir beschäftigen uns eingehend mit ihnen und wollen langfristig mit ihnen wachsen. Das Schöne ist, dass sich das rumspricht. In letzter Zeit kommen verstärkt Kunden von Mitbewerbern zu uns, die wegen ihrer dortigen Behandlung frustriert sind. Als relativ kleine Bank sind wir zu einer Flexibilität in der Lage, die viele unserer größeren Mitbewerber nicht aufbringen können oder wollen. Außerdem haben wir jahrelange Erfahrungen in der entsprechenden Bedienung insbesondere von Mittelständlern.