Der Poseur
Ferenc Gyurcsány hat die Causa Sukoró (die Budapester Zeitung berichtete; Anm. d. Red.) aus einem rationalen in einen irrationalen Kontext gehoben. Aus purem Eigeninteresse. Er hat es unterlassen, auf die Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft zu reagieren. Offenbar hat Gyurcsány nichts in der Hand, um den begründeten Verdacht zu zerstreuen, dass er beim Kasinoprojekt in Sukoró dem Investor widerrechtlich zu einem Wettbewerbsvorteil verhalf und dabei auch noch die Öffentlichkeit düpierte. Mithin hat er vor allem für seine Anhänger und die internationale Presse eine politische Performance inszeniert, in der er sich gegenüber der bösen Obrigkeit als Unschuldslamm und Opfer gebärdete. Wir haben von ihm aber auch nichts anderes erwartet.
Szene eines Auftritts bei der Staatsanwaltschaft: Tränenreicher Abschied von Mama.
Nur dass eine der großen Unzulänglichkeiten Gyurcsánys darin liegt, dass er jeglicher schauspielerischer Fähigkeiten ermangelt. Wie es bei Politikern meist so ist. Im Allgemeinen können sie sich nur dann in Szene setzen, wenn sie an etwas wirklich glauben, wenn sie ihre Rolle also aufrichtig und gefühlvoll spielen. (So wie dies Ferenc Gyurcsány in der Rede von Balaton?szöd tat, als er als siegreicher Ministerpräsident bei den Parlamentswahlen (April 2006; Anm. d. Red.) seinen Parteifreunden den wahren Zustand des Landes und die Regierungshandlungen, die dorthin geführt hatten in inbrünstigem Ton offenbarte.) In jeder anderen Rolle wirken Politiker falsch, unglaubwürdig und reißerisch. Und je mehr sie sich inszenieren, umso reißerischer sind sie.
So geschehen beim kürzlich stattgefundenen Verhör Gyurcsánys durch die Budapester Generalstaatsanwaltschaft. Dort überbot der Ex-Premier sogar sich selbst als Poseur. Die Vorführung war fürwahr durchorganisiert: Zunächst einmal erschien die Mama, doch durfte auch die liebende Ehefrau für einen leidenschaftlichen Kuss nicht fehlen, gespickt wurde die Szene mit einem Bild von Generalstaatsanwalt Péter Polt aus alten Fidesz-Zeiten, das neben dem Eingang prangte, und zu guter Letzt reckten die Sympathisanten auch noch Transparente mit der Aufschrift „Habt keine Angst“ in die Höhe. Da fehlte eigentlich nur noch Hund Fifi (der Vierbeiner der Familie Gyurcsány; Anm. d. Red.). Die Vorführung war derart schauerlich, dass frühere Gyurcsány-Inszenierungen wie seinerzeit bei der Auffindung eines verschollenen Mädchens auf dem Rosenhügel oder die in Tränen mündende Pressekonferenz nach dem Zugunglück im Monorer Wald (Monorierd?) verglichen dazu glatt einen Filmpreis in Cannes verdienen würden.
Es stellt sich natürlich die Frage, ob wir Ferenc Gyurcsány dafür schelten sollen, dass er das Verfahren gegen ihn mit allen nur erdenklichen Mitteln zu diskreditieren versucht. Wir können wohl kaum bejahend antworten. Hingegen ist nicht zu tolerieren, dass der ehemalige Ministerpräsident Ungarns aus purem Eigeninteresse danach trachtet, den gesamten Justizapparat des Landes in Misskredit zu bringen. Nicht zu sprechen davon, dass er sich als ehemaliger staatlicher Würdenträger komplett zum Narren macht.
Der Autor ist Chefredakteur der regierungsnahen konservativen Wochenzeitung Heti Válasz.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar
MSZP-Spitzenpolitiker István Hiller: Es fehlte eigentlich nur noch Haushund Fifi.
„Feri halt aus!!!”: Aus purem Eigeninteresse den Justizapparat in Misskredit gebracht.
„Ich bin Gyurcsány-ist.” Die Vorführung war fürwahr durchorganisiert.