Hochwertig und preiswert: Weine aus Südosteuropa
Seit einigen Monaten gibt es in der Váci utca unter dem Namen Vinorium eine Vinothek, die sich auf osteuropäische Weine spezialisiert hat. Die Budapester Zeitung sprach mit ihrem in Österreich aufgewachsenen Gründer und Inhaber László Puskás über das Konzept von Vinorium und über die Lage auf dem ungarischen Weinmarkt.
Teil des Vinorium-Weinkellers unter der Váci utca.
Warum haben Sie eine Vinothek eröffnet, die sich ausgerechnet auf südosteuropäische Weine spezialisiert hat?
Als ich mich zu Beginn des Jahres wegen des Vertriebs von Wodka in Ungarn etwas genauer umschaute, fiel mir nebenbei auf, wie einseitig das Angebot der hiesigen Vinotheken ist. Sie führen so gut wie keine ausländischen Weine. Es gibt nur einige wenige Geschäfte in Budapest, die eine Auswahl an italienischen Weinen im Angebot haben. Weine aus Südosteuropa sucht man hingegen völlig vergeblich. Nicht einmal die griechischen Basisweine wie Samos oder Retsina, die man sogar in der Ukraine in vielen Supermärkten findet, gibt es in Ungarn zu kaufen. Auf der anderen Seite ist das Interesse der ungarischen Verbraucher etwa an Weinen aus Bulgarien auf Grund der Vergangenheit sehr hoch. Da dachte ich mir, dass es einen Versuch wert wäre, diese Marktlücke zu füllen.
Weinhändler und Winzer in spe László Puskás.
Welche Länder sind bei Ihnen vertreten?
Bei uns gibt es Weine aus Slowenien, Serbien, Mazedonien, Bulgarien, Griechenland und Georgien. Demnächst wird es bei uns auch Weine von der Krim geben, ebenso wie den berühmten dortigen Sekt. Natürlich machen wir aber auch um gute ungarische Weine keinen Bogen. Dabei konzentrieren wir uns vor allem auf qualitativ hochwertige, aber noch nicht allzu bekannte Winzer. Ungarische Weine machen aber nur etwa 15 Prozent unserer Palette aus. Neben Weinen gibt es bei uns übrigens auch russischen Wodka und den berühmten armenischen Cognac Ararat.
Eine ungewöhnliche Kombination.
Sie ergibt sich aus dem Profil meiner sonstigen Geschäfte. Dazu muss ich etwas ausholen: Anfang der 90er Jahre, als die Wodka-Produktion in Russland infolge der Prohibitionspolitik unter Gorbatschow am Boden lag, versuchte man den dortigen immensen Bedarf durch Importe zu befriedigen. Über eine ungarische Produktionsfirma beteiligte auch ich mich an diesem Geschäft. Bald exportierten wir wöchentlich etwa 100-150 LKW-Ladungen Wodka nach Russland. Daneben baten mich meine russischen Partner auch um ungarischen Wein, den ich dann auch zu liefern begann. Im Zuge der Privatisierungen in Ungarn und dem Verschwinden der großen Weingüter wurde es jedoch zunehmend schwieriger, die großen benötigten Mengen zu besorgen. So wich ich notgedrungen auf andere osteuropäische Weine aus, die sich ebenfalls noch einer hohen Bekanntheit in Russland erfreuen konnten. 1996-97 gab ich den Export von ungarischem Wein dann völlig auf. Insgesamt sank der ungarische Weinexport nach Russland in dieser Zeit ins Bedeutungslose. Wenn allein meine Firma Anfang der 90–er Jahre pro Woche 20-40 LKW-Ladungen Wein nach Russland schick– te, dann ist das inzwischen schätzungsweise die jährliche Gesamtexportmenge von Ungarn nach Russland. Inzwischen ist die Wodka-Produktion in Russland wieder auf die Beine gekommen. So hat sich die Richtung des Warenstroms im Laufe der Zeit gedreht. Jetzt importieren wir Wodka aus Russland.
Inzwischen ist die Weinproduktion in Ungarn wieder aufgeblüht. Wäre das nicht wieder einen Versuch wert?
Ja, aber die Winzer bieten ihren Wein viel zu teuer an. Wenn ungarische Qualitätsweine etwa doppelt so teuer sind wie vergleichbare französische oder italienische Weine, dann ist ein Export praktisch unmöglich. Schauen Sie, ein guter Bock oder Polgár kostet heutzutage etwa 6.000 Forint, dass sind über 20 Euro. Soviel bezahlen in Deutschland oder Russland höchstens die ganz großen Liebhaber ungarischer Weine. Aber auf die kann man kein Geschäftsmodell begründen. Solange die Verbraucher für 10-12 Euro vergleichbare französische oder italienische Weine bekommen, werden sie ungarische Weine für fast das Doppelte nicht anrühren. Zumal sich ungarische Weine in Westeuropa und auch in Russland auf keine besondere Bekanntheit stützen können.
Dabei hatten ungarische Weine vor der Wende nicht zuletzt auch in der ehemaligen Sowjetunion einen guten Ruf.
Ja, aber die erste ungarische Nachwende-Regierung hatte den fatalen Fehler begangen, den gesamten Handel mit Russland praktisch einzustellen. Mit einem Mal sollte lieber alles nach Westeuropa geliefert werden. Dabei vergaß man aber völlig, dass in Westeuropa niemand auf ungarische Produkte, insbesondere Lebensmittel gewartet hat, erst recht nicht in der bisherigen Exportmenge. Statt über Wege nachzudenken, die finanziellen Engpässe beim Russlandhandel zu umschiffen und nicht stur auf Vorauszahlungen, noch dazu in Devisen zu bestehen, setzte die Regierung einfach voll auf den Westeuropa-Handel. Am Ende konnten die ungarischen Produzenten weder nach Osten noch nach Westen liefern und ehemals florierende Branchen standen plötzlich vor dem Aus. Ich kann bis heute nicht verstehen, wie man einen so riesigen Markt wie den russischen einfach so systematisch zerstören konnte. Westliche Anbieter sahen dies damals jedenfalls mit Freude und sprangen gerne in die Bresche. Als Ungar erlebte ich in dieser Zeit kuriose Szenen. Ich kam viel rum in Russland, wo ich etwa zwölf Jahre in verschiedene Städten und Regionen lebte. Es kam mehrmals vor, dass sobald sich herumsprach, dass ich Ungar bin, Vertreter von Stadtverwaltungen an mich herantraten und mich, also einen Lebensmittelhändler baten, dafür zu sorgen, dass Ungarn endlich wieder Ikarus-Busse liefern möge. Bis heute fahren noch Unmengen an Ikarus-Bussen auf russischen Straßen. Wegen ihrer Robustheit sind sie noch immer hochgeschätzt. Die Preisgabe des riesigen russischen Busmarktes ist ein weiteres unglückliches Kapitel des russisch-ungarischen Außenhandels.
Kommen wir zum Wein zurück. Ist mit entsprechendem Marketing-Aufwand denn nicht ein Neueinstieg möglich?
Beim aktuellen Preisniveau des ungarischen Weins ist jeder Marketing-Forint hinausgeworfenes Geld, sowohl mit Blick auf Westeuropa als auch Russland. Die ungarischen Weingüter machen sich mit ihrem hohen Preisniveau ihre potenziellen Exportmärkte systematisch kaputt. Gut, momentan leben sie vom Binnenmarkt nicht schlecht. Man braucht sich nur einmal anzuschauen, welche Paläste und prächtigen Weinkeller sich viele in den letzten Jahren zugelegt haben. Aber langfristig zahlt sich die Hochpreispolitik sicher nicht aus. In Österreich hatten wir eine ähnliche Situation. Inzwischen kämpfen dort viele Weingüter mit dem Bankrott. Eine ähnliche Entwicklung sehe ich auch in Ungarn kommen. Seit wir Mitte der 90er den Handel mit ungarischen Weinen aufgegeben haben, haben wir alle zwei-drei Jahre versucht, ungarische Weine nach Russland zu exportieren. Stets ohne Erfolg. Bei solchen Preisen ist das auch nicht sonderlich überraschend. Zumal es von Jahr zu Jahr immer schwieriger wird. Schließlich können sich immer weniger russische Verbraucher und Vertriebsmanager aus eigenem Erleben an ungarische Weine erinnern.
Wie liegen Ihre südosteuropäischen Weine preislich?
Sie sind etwa 30-40 Prozent billiger als vergleichbare ungarische Weine. Immer wieder erlebe ich es, so etwa kürzlich beim Weinfest auf der Budaer Burg, dass ungarische Verbraucher regelrecht überrascht sind, wenn sie nach der Verkostung unserer Weine von deren günstigen Preisen erfahren.
Dabei dürfte es für Sie verlockend sein, sich dem höheren hiesigen Preisniveau anzupassen.
Ja, aber das mache ich nicht. Bei uns gibt es nur eine normale Handelsspanne. Heute ein paar Euro mehr zu verdienen, zahlt sich langfristig nicht aus. Unser Ziel ist es vor allem, südosteuropäische Weine in Ungarn bekannt zu machen und zu verkaufen und nicht kurzfristig Extraprofite abzuschöpfen. Wir denken langfristig. Unsere schöne positive Tendenz bei den Verkaufsergebnissen seit unserer Eröffnung gibt uns recht.
Wie erklären Sie sich, dass die sonst sehr preisbewussten ungarischen Verbraucher ausgerechnet bei Wein eine Ausnahme machen?
Vor allem mit der geringen Präsenz ausländischer Weine, die für einen richtigen Wettbewerb sorgen könnten. In bulgarischen Supermärkten besteht das Weinangebot zu etwa der Hälfte aus ausländischen Weinen. In Ungarn spielen ausländische Weine in den Regalen der Supermärkte hingegen kaum eine Rolle. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis die Lebensmittelketten auch in Ungarn voll den Preisvorteil ausländischer Weine nutzen. Der harte Wettbewerb untereinander wird dafür sorgen, dass sie dieses Potenzial rasch ausnutzen. Ich denke innerhalb von ein-zwei Jahren wird sich dieser Prozess vollziehen.
Wie verkaufen sich nicht-ungarische Weine aus Südosteuropa in Russland?
Sehr gut, Tendenz weiter steigend. Dabei hat sich unsere Exportstruktur etwa seit Beginn der Jahrtausendwende komplett gewandelt. Während ich am Anfang vor allem Massenweine nach Russland exportierte, kann ich dort inzwischen nur noch mit Qualitätsweinen punkten. Die dortigen Verbraucher sind anspruchsvoller geworden, nicht zuletzt durch das Qualitätsangebot aus anderen Teilen der Welt. Außerdem entstand eine Handelsstruktur, die auf Qualitätswaren spezialisiert ist.
Wie schaffen Sie es bei so vielen Weinländern, die Sie inzwischen vertreten, den Überblick zu behalten?
Indem ich ständig unterwegs bin, um mich persönlich auf dem Laufenden zu halten. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass ich mich inzwischen mit acht Ländern beschäftige und pro Land mit vier bis fünf Weingütern Verträge habe. Nach wie vor halte ich aber eisern an meinem Grundprinzip fest, nur solche Weine anzubieten, die ich auch selber gerne trinke. Mit dieser Richtschnur bin ich bisher ganz gut gefahren. Einige Winzer und deren Weine kenne ich schon seit über zehn Jahren. Auch das hilft für ein vertrauensvolles Miteinander. Immer häufiger werde ich von ihnen inzwischen auch bei der Ausarbeitung neuer Weine zu Rate gezogen. Das ist natürlich superspannend für mich, an einer so frühen Phase des Prozesses beteiligt zu werden und erhöht freilich auch die Sicherheit, später einen guten Wein geliefert zu bekommen.
Würde es Sie nicht reizen in einer noch früheren Phase einzusteigen, sprich selber in die Rolle eines Winzers zu schlüpfen?
Durchaus. Langfristig möchte ich auf jeden Fall ein eigenes Weingut haben. Interessieren würde mich in Ungarn die Region Tokaj oder Sopron. Gerade Sopron halte ich für deutlich unterbewertet. Dabei sind durch das besondere, vom Neusiedler See geschaffene Mikroklima die dortigen Gegebenheiten für gute Rotweine teilweise noch besser als in Villány. Außerhalb von Ungarn würde ich im thrakischen Tiefland im südlichen Bulgarien investieren. Hier stand die Wiege des europäischen Weinbaus. Schon Homer schätzte die Qualität der dortigen Weine. Durch die politische Entwicklung des letzten Jahrhunderts wurde diese Region allerdings von der europäischen Weinkultur abgeschnitten. Sie ist aber wieder auf bestem Weg, verlorenes Terrain zurückzuholen.
Was planen Sie für Ihr Vinorium?
Derzeit können bei uns Verkostungen für bis zu 30 Leute stattfinden. Wir werden jetzt noch einen weiteren Kellerteil so herrichten, dass auch bis zu 50 Personen bei uns bequem Platz finden. Auch für einen musikalischen Rahmen mit klassischer und leichter Jazz-Musik ist dann bald mehr Platz. Anfang November wollen wir in Budapest in einer größeren Räumlichkeit eine südosteuropäische Weinwoche organisieren.
www.vinorium.hu