Botschafter in schönen Stoffen
Das Erste, was man an einem Menschen sieht, ist sein Äußeres: Sein Gesicht, seine Haar- und Augenfarbe, seine Hautfarbe und nicht zuletzt seine Kleidung. Diese kann einfach nur praktisch sein, eventuell modisch oder entsprechend eines Anlasses ausgewählt. Der Träger eines Textils dient damit je nachdem als Mitläufer oder Trendsetter, Fan oder Gegner, Kleiderbügel oder gar Künstler. Erika Varga sieht jedoch noch mehr in der Kleidung, die wir Tag für Tag tragen. Mit ihrem Modelabel „Romani Design“ will die Designerin eine Botschaft transportieren, die bei Roma und Nicht-Roma gleichermaßen Anklang findet.
Erika Varga: „Es ist mir wichtig, die Tradition der Volkstrachten der Roma zu wahren und zu verbreiten.”
Bereits seit der Mittelschule widmet sich Erika Varga zwei Leidenschaften: Der Goldschmiederei zum einen und der Vebreitung des Wissens über die Volksgruppe der Roma und deren Trachten zum anderen. Anfangs arbeitete sie noch mit ihrer Schwester Helena Varga in ihrer gemeinsamen Schmuckwerkstatt – der Wunsch, diese künstlerische mit einer sozialen Arbeit zu verbinden war jedoch damals schon groß. Als Frau Varga vom Geschäftsmodell des „Social Business“ hörte, erkannte sie ihre Vorstellungen darin wieder. Diese Art der Geschäftsführung sieht den Profit nicht als Ziel, sondern als Werkzeug, um gesellschaftliche und soziale Probleme zu thematisieren.
2009 ließen sich die Überlegungen, selbst solch ein „soziales Unternehmen“ zu starten, letztendlich mithilfe der Staatlichen Landesstiftung für Arbeit verwirklichen. Im Februar 2010 wurden Werkstatt, Näherei und Laden eigenhändig aufgebaut und das Modelabel „Romani Design“ gegründet. Allein das Entwerfen von Mode findet Frau Varga jedoch weniger interessant: „Ich habe nicht mein ganzes Leben lang darauf hingearbeitet, Modedesignerin zu werden. Doch es ist mir einerseits wichtig, die Tradition der Volkstrachten der Roma zu wahren und zu verbreiten; andererseits finde ich, dass es heutzutage, nachdem das ‚Roma-Thema’ schon sehr zerredet wurde, einen neuen Ansatz braucht. Somit sehe ich Kleidung als Mittel zur Kommunikation, als Mittel, um eine Botschaft zu transportieren.“
Frau Vargas Kleidungsstücke sind stark inspiriert von der Volkstracht der Roma. Dabei treffen traditionelle Stoffe und Muster auf innovative Formen und Schnitte, die sich durch ihre Individualität auszeichnen. Vom Abendkleid bis hin zum Männerhemd findet sich bei „Romani Designs“ alles, was tragbar ist, in den unterschiedlichsten Farben, Schnitten und Stoffen. Ein bestimmtes aufgedrucktes Blumenmuster, bunt und mit Gold- oder Silberfäden durchzogen, sieht man bei „Romani Designs“ jedoch immer wieder. Traditionell wird es als Kopftuch getragen – bei Frau Varga erscheint es im Brustbereich von Oberteilen oder in aufgenähten Bahnen auf plissierten Röcken.
Von traditioneller Roma-Kleidung inspiriert und beeinflusst.
Moderne und tragbare Kleidungsstücke
Überraschend ist, dass einige Muster und Stickereien durchaus an ungarische Trachten von Nicht-Roma erinnern. „Die Roma-Kultur und die Traditionen sind so alt – da hat sich einiges eben auch mit den ungarischen Bräuchen vermischt“, erklärt Frau Varga die Gemeinsamkeiten. Aktuelle Trends sind für die Designerin jedoch kein Hauptthema: „Mir ist es wichtig, dass meine Kleidungsstücke modern und tragbar sind. Die aktuelle Mode verfolge ich nicht wirklich, denn letztendlich möchte ich ja eine Botschaft verbreiten. Meine von traditioneller Roma-Kleidung inspirierten und beeinflussten Designs sollen Roma und Nicht-Roma gleichermaßen ansprechen und so einen Kulturaustausch anstoßen.“ Denn der Dialog, so Frau Varga, sei die einzige Möglichkeit, aus Unwissen gewachsene Vorurteile, die Angst und Fremdenhass hervorbringen, aus dem Weg zu räumen und friedlich zusammenzuleben.
Besondere Designs ohne Kitsch
Das Design der Kleidung übernimmt Frau Varga selbst, während sie den Schmuck gemeinsam mit ihrer Schwester Helena entwirft und realisiert. Bei der Herstellung der handgemachten Schmuck- und Kleidungsstücke ist Hilfe jedoch unentbehrlich: „Ein paar der Ohrringe aus der ‚Fülchidea’-Serie benötigen zwölf einzelne Arbeitsschritte. Da sitzt man schon sehr lange dran, deshalb übernimmt das momentan meine Kollegin. Es gab aber auch schon Zeiten, in denen drei von uns gleichzeitig an den Ohrringen sitzen mussten, weil die Nachfrage so groß war.“ „Fülchidea“ – das ist übrigens ein Mix aus dem ungarischen Wort für Ohr, „fül“, und der ungarischen Bezeichnung für Ochidee, „orchidea“. Entsprechend besitzen die aus versteiftem Stoff gefertigten Ohrhänger die Form einer Orchidee. Doch trotz buntem Stoff und Glitzerpailetten sowohl beim Schmuck als auch bei den von ihr entworfenen Kleidungsstücken gelingt es Frau Varga, nicht die Grenze zum Kitschigen zu überschreiten. Im Gegenteil sind ihre Designs sehr feminin und edel, und machen den Träger gerade in Kombination mit einfachen Farben wie Schwarz oder Weiß zu etwas ganz Besonderem. Tragekomfort verleiht der „Romani“ Kleidung zudem Kaschmirwolle als Grundmaterial.
Traditionelle Stoffe und Muster.
Mode für alle
Wie Frau Varga erzählt, reicht die Kundschaft von Roma über Nicht-Roma bis hin zu Touristen – die meisten würden den Laden jedoch gezielt aufsuchen. Roma erkennen sich und ihre kulturellen Traditionen in den Kleidungsstücken womöglich wieder, Nicht-Roma finden aufgrund der Ästhetik oder der Hintergrundidee eventuell Gefallen an der Marke, viele wollen im Alltag einfach ein äußerliches Zeichen setzen für Toleranz und ein friedliches Miteinander. Die außergewöhnlichen Designs und die soziale Grundidee von „Romani Design“ haben Erika Varga neben einem großen Medienecho unter anderem bereits eine Modenschau im Museum für Angewandte Kunst im September 2010 ermöglicht. Ein knappes Jahr später, am 3. September 2011, wird erneut eine Modenschau der neuen Kollektion von „Romani Design“ stattfinden. Austragungsort ist diesmal das Museum der Schönen Künste.
„Romani Design“
VII. Akácfa utca 20-22
www.romanidesign.hu
Telefon: +36 1 788 10 34
Email: vargae@romanidesign.hu
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 11-19 Uhr
Zur Person
Erika Varga, die Wurzeln in Szabolcs und Siebenbürgen hat, ist gelernte Goldschmiedin und arbeitete anfangs gemeinsam mit ihrer Schwester Helena Varga in ihrer Schmuckwerkstatt. Durch eine landesweite Ausschreibung der Staatlichen Landesstiftung für Arbeit (Országos Foglalkoztatási Közalapítvány) stieß sie auf das Modell des „Social Business“ und gründete 2009 schließlich die Romani Modestudio Gesellschaft. Anfang 2010 eröffnete sie ihren Laden, in dem sie seither unter dem Label „Romani Design“ Kleidung, Schmuck und Accessoires für Frauen und Männer verkauft.
Sehr geehrte Frau Vargas,
im August möchte ich Budapest und Ihr Geschäft besuchen.
Haben Sie Interesse, Ihre Mode nach Deutschland zu verkaufen?
Mit freundlichen Grüßen
Johanna Bachhuber
Tel. 0049+1704311589