E-Fahrzeugproduzenten stehen in den Startlöchern
An guten Ideen für innovative Fortbewegung besteht kein Mangel im Karpatenbecken – ein Konzept wurde vom amerikanischen Time Magazin sogar zu den 50 wichtigsten Innovationen der Welt gezählt – doch die Umsetzung der Projekte zögert sich hinaus. Was fehlt den hiesigen Entwicklern und zukünftigen Herstellern?
Für ein kleines Land in Mitteleuropa hat Ungarn bemerkenswert viele Hersteller und Entwickler für alternative Fahrzeugtechnik. Das Spektrum reicht vom zusammenklappbaren, als Rollkoffer transportierbaren Elektromoped bis zum robusten Sportwagen mit 120 kW Leistung. Bei steigenden Spritpreisen und der durch die Krise geschärften Preissensibilität der Verbraucher liegen sie alle im Trend und selbst das Design kann sich sehen lassen. Doch ein nicht unwesentlicher Faktor fehlt noch. Und das ist der wirtschaftliche Erfolg.
Die Familie Willisits stellt in ihrem Unternehmen innovative und gewinnbringende Elektromotoren für Boote her. Doch Elektromotoren taugen auch bestens zum Antrieb von Straßenfahrzeugen. Somit investiert die Intermotor Kft., die sich im Familienbesitz befindet, einen Teil ihres Profits in die Adaptierung dieser Technologie in herkömmliche Autos. Als Versuchsmodell diente ein Smart, nach erfolgreicher Entwicklungsarbeit hat das Fahrzeug mittlerweile auch die technische Zulassung bekommen. Ab Ende Oktober dieses Jahres können die Autos bei Intermotor auch bestellt werden. Fürs erste Jahr sind 50 Stück umgebauter Smarts geplant, mit einem Umbaukit sollen jedoch bald auch andere Autos auf E-Antrieb getrimmt werden.
Der Aufwand lohnt sich, denn Elektrofahrzeuge bieten gegenüber Verbrennungsfahrzeugen eine bessere Leistung im Verhältnis zu ihrer Masse. Wäre da nicht das Problem der Reichweite: Batterien der heutigen Generation bieten nur Fahrspaß auf einer Strecke von maximal 80 bis 100 Kilometer und müssen dann erst mal wieder für drei bis sechs Stunden ans Netz. „Doch das wird sich in absehbarer Zeit ändern, und dann werden Elektroautos zum Zug kommen“, ist Vilmos Willisits junior, Miteigentümer der Intermotor Kft., überzeugt.
Ein Smart aus dem Hause Willisits.
Kleinen bleiben bald nur noch Nischen
„Sobald jedoch große Autohersteller in die Massenproduktion einsteigen, werden kleine Betriebe nur noch Nischenmärkte bedienen können. Deswegen haben wir uns entschieden, maßgeschneiderte Fahrzeuge herzustellen, die schon nach wenigen verkauften Exemplaren Profit abwerfen.“ In diese Reihe fügt sich auch der Sportwagen Leila. Die Augenweide für Fans von stromlinienförmigen Autos ist zwar noch in der Prototypphase – eine leistungsfähige, mehrere Millionen Forint kostende Batterie fehlt noch – wenn sie jedoch fertig ist, wird sie ganz sicher etliche Autos mit Verbrennungsmotoren auf der Autobahn hinter sich weisen.
Etwas höhere Ziele – jedenfalls was die Stückzahlen anbelangt – hat sich die ebenfalls ungarische Antro-Gruppe vorgenommen. Ihr auf den Namen Solo getauftes futuristisches Spezialauto wurde 2008 vorgestellt und zwei Jahre später vom amerikanischen Time Magazin in die Liga der 50 besten Erfindungen der Welt aufgenommen. Die mittlerweile auf drei Fahrzeugtypen erweiterte Produktpalette (Solo, Duo, Pickup) verfügt bereits über einen ausführlichen Geschäftsplan zur Produktion von 15.000 Fahrzeugen ab 2015. Verhandlungen sind im vollen Gange, es muss nur noch der entsprechende Investor gefunden werden. Der innovative Charakter der Fahrzeuge liegt in der Verbindung von Leichtbaukomponenten (Kohlefaser) mit Stromerzeugung durch Verbrennungsmotor und Solarzellen. Im Stau können gelangweilte oder sportlich ambitionierte Fahrer Strom sogar durch Tretpedale produzieren.
Besseres Leistungs-Masse-Verhältnis.
Solange das Projekt heranreift, versucht es die Antro-Gruppe mit der Produktion eines ultraleichten zusammenklappbaren Elektrorollers. Das auf den Namen Moveo getaufte Zweirad soll innerhalb eines Jahres in Serie gehen, hier steht auch schon der stolze Preis von netto 2.400 Euro fest. „Zuerst soll das Moped in Ungarn produziert werden, aber wir richten unser Augenmerk schon beim Start auf den Export der Idee“, erklärt Géza Hivessy, Gründer und Miteigentümer der Antro-Gruppe. „Ab 2014 wird sich die Produktion auf 15.000 Stück pro Jahr belaufen, eventuell mit einem Franchise-System verbunden, wenn auch ausländische Standorte bei der Herstellung ins Spiel kommen. Geplant ist eine Umsatzrendite von 20 Prozent.“
Millionen Euro zur Serienreife nötig
Während die einen noch den schwierigen Weg zum Produktionsstart ebnen, haben andere schon einen kleinen Durchbruch erzielt. Das Konzept des an der Budapester ELTE Universität entwickelten elektrischen Stadtautos Hy-Go wurde letzten September an die französische Firma Exid Assistance Aux Project verkauft. Die Franzosen entwickelten mit einer halben Million Euro ein Konzeptauto, das auch beim diesjährigen Genfer Autosalon ausgestellt wurde. Das ursprüngliche Hy-Go Modell des Instituts für Chemie der Universität ist aber in Ungarn geblieben. Allerdings werden zur Erlangung der Serienreife – geplant sind jährlich 2.000 bis 3.000 Fahrzeuge – noch einige Millionen Euro benötigt.
Der Leila – noch ohne passende Batterie.
An Konzepten und Plänen für Fahrzeuge der Zukunft besteht kein Mangel in Ungarn, doch neben der Finanzierung der Projekte hinkt auch die Nachfrage noch ein wenig hinterher. Die zwei Ladestellen für Elektroautos in Ungarn (die zweite wurde erst kürzlich anlässlich der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft aufgestellt) bedienen laut einem Bericht der Wochenzeitung HVG derzeit lediglich fünf Fahrzeuge. Vier Autos und ein Motorrad. Vielleicht wäre es also an der Zeit, die Nachfrage anzukurbeln: Elektrische Autos sind seit zwei Jahren von der Kfz-Steuer befreit. Wenn auch noch die zurzeit einheitliche Registrationssteuer von 190.000 Forint für elektrische und Hybrid-Autos wegfallen würde und der Staat bei der Ausweitung des Ladestellennetzes nachhelfen würde, könnte das zu einem raschen Durchbruch führen.