„Die Kunden spüren das Herzblut, das in der Arbeit steckt“
Mitten im Herzen des V. Bezirks liegen zwischen dem Ferenciek tér und Kálvin tér verstreut viele kleine Läden aufstrebender ungarischer Designer. Der Laden Fregoli der Designerin Bernadett Pallai ist einer davon. Ein großes, bis auf den Boden reichendes, doppeltes Ladenfenster, eine Tür und ein Fahrrad über dem Eingang weisen den Weg in das kleine, originell eingerichtete Geschäft, in dem modisch-klassische und weibliche Kleidung für Sie und zeitlose, schlichte, aber trotzdem mit ein wenig Design versehene Stücke für Ihn zu finden sind.
Uneingeweihte, die nicht wissen, dass sich hinter dem Namen Fregoli das Label „aquanauta“ verbirgt, könnten den Laden fast für ein Fahrradgeschäft halten. Diejenigen, die einen genaueren Blick durch das Schaufenster werfen, stellen allerdings schnell fest, dass es sich um Kleidung und Accessoires handelt. Bernadett Pallai teilt sich ihren Laden mit dem Designer des Labels „Balkan tango“, der aus Fahrradschläuchen Taschen, Geldbörsen und andere Kleinigkeiten herstellt. Die völlig verschiedenen Moderichtungen – die klassisch weibliche Linie und die Streetwear – innerhalb des Ladens haben auch zur Namensgebung geführt. „Fregoli war nicht nur ein bekannter italienischer Verwandlungskünstler im 19. Jahrhundert, der es schaffte, sich in einer Stunde 100 bis 110 Mal komplett neu zu kleiden, der Name hat auch noch weitere Bedeutungen, wie eine Jacke die auf beiden Seiten getragen werden kann, oder ein an der Decke zu befestigender Wäschetrockner“, erklärt Pallai. Sie betont, dass mit dem mehrdeutigen Namen die Vielfalt und Andersartigkeit der zwei verschiedenen Labels unterstrichen werden soll.
Am Anfang eine Kollektion
Seinen Anfang nahm das Label „aquanauta“ 1999, als sich Pallai mit einer Gruppe von Studienkollegen dazu entschloss, an einem Wettbewerb teilzunehmen, der es ihnen erlaubte, ihre Kleidung bei einer Modenschau vorzustellen. Das Motto der Show war „Wasserscheide“, was die Gruppe dazu inspirierte ihre Kollektion „aquanauta“ zu nennen. Mit ihrer Arbeit gewannen sie den Preis für die kreativste Kollektion, und das Interesse der Journalisten war geweckt. Nachdem sich diese in ihren Berichten über die Gruppe stets auf den Namen der Kollektion beriefen, „blieb der Name einfach an uns hängen“ sagt Pallai lächelnd. Die Zusammenarbeit fand ab 2001 dann in Form einer Firma statt, die seit 2007 der Designerin allein gehört. Die Trennung der Mitglieder erfolgte allerdings aus einem ganz bestimmten Grund: Die Mitbegründer des WAMP Designmarktes mussten sich entscheiden, wofür sie ihre Zeit aufwenden wollten und konnten. „Wir wollten 2006 einen Markt, ähnlich wie den Spitalfield Markt in London gründen, auf dem sich junge Designer vorstellen können. So entstand das WAMP“, erklärt Pallai, die sich allerdings für das Entwerfen von Mode entschieden hat. Sie nimmt jedoch an jedem WAMP teil, wenn sie in Ungarn ist.
Planung und Ausführung
Heute ist sie der einzige kreative Kopf im Unternehmen und wird von einem kleinen, aber feinen Team aus zwei Schneiderinnen und ihrem Geschäftsführer unterstützt. Wenn die Arbeit sehr viel wird, springen außerdem noch zwei weitere Schneiderinnen ein. Die Kollektionen entstehen in ihrem Kopf: „Erst überlege ich mir mit welchen Farben ich arbeiten will, dann lege ich fest wie viele verschiedene Hosen, Röcke und Jacken ich brauche. Zum Schluss verbinde ich meine Vorstellungen mit Wünschen der Kunden und den Stoffen.“ Nicht immer überzeugen die Entwürfe, die ihr am besten gefallen auch die Käufer. „Vielleicht liegt das daran, dass Designer immer etwas vor dem Trend liegen. Oft werden diese Stücke dann in der nächsten Saison gekauft“, sagt sie nachdenklich. Es entstehen pro Kollektion etwa 30 bis 40 verschiedene Entwürfe, die in kleinen Serien von drei bis vier Stücken in drei Größen, von 36 bis 40/42, produziert werden. Insgesamt gibt es pro Kleidungsstück für die drei Läden insgesamt neun bis zwölf Kopien. Größere oder kleine Größen können bestellt werden. Einzelanfertigungen seien jedoch selten, weil sie sehr wenig Zeit dafür habe. Im Durchschnitt sind es maximal drei oder vier Cocktail- oder Hochzeitskleider.
Qualität und Haltbarkeit
Eine Besonderheit ihrer Kollektionen ist, dass sie fortlaufend hergestellt werden. Dadurch gibt es neben den ständigen Entwürfen auch einige, die den Übergang von einer Saison und einer Kollektion zur nächsten darstellen. Die Stoffe für ihre Kreationen findet Pallai meist im Ausland – Deutschland, Österreich oder Frankreich – denn die Qualität der Stoffe muss stimmen. Nur reine Naturfaser verwendet sie eher selten, denn eine Mischung mit Kunstfaser macht die Stoffe fast immer strapazierfähiger und sie behalten auch länger ihre Form. „Außerdem denke ich, dass meine Kunden es spüren, wenn besonders viel, aufwendig und mit Herzblut an einem Stück gearbeitet wurde. Man könnte sagen, je mehr Arbeit in einem Kleidungsstück steckt, desto schneller ist es verkauft“ erzählt die Designerin.
Klassisch weiblich
Ihre Kunden seien meist zwischen 30 und 40 Jahre alt. Aber es gibt auch junggebliebene Damen von 70 und 80 Jahren, die gerne ihre Entwürfe kaufen. Eben Frauen, die Wert auf ihr Äußeres legen und es sich auch leisten können. Jüngere kaufen eher von Jahreszeit zu Jahreszeit neu, wechseln öfter den Inhalt ihres Kleiderschranks, meint Pallai; „bei mir kaufen jedoch Frauen, die Kleidung suchen, an der keine Jahreszahl steht und deren Stoff und Schnitt modisch und qualitativ mehrere Jahre überdauert“. Der Unterschied zwischen den ungarischen und ausländischen Käufern sei nicht sehr groß und sei eher beim Kaufverhalten zu beobachten. „Ausländerinnen kaufen manchmal einfach nur, weil ihnen etwas gefällt. Ungarn überlegen da schon eher, wann und wo sie ein Kleidungsstück anziehen können, ob sie es wirklich brauchen und ob es vielfältig einsetzbar ist.“
Ihren eigenen Stil beschreibt Pallai als klassisch, zeitlos und weiblich. Klassisch bedeutet aber nicht altbacken oder langweilig, sondern bezieht sich auf den Schnitt. Die Finesse der Kleider ist dann der moderne Stoff mit seinen Mustern. Auch achtet die Designerin immer darauf, dass sie in den Modefarben arbeitet, denn nur so können die Kundinnen auch Schuhe und Handtaschen in den aktuellen Farben dazu wählen. Ihre Männerlinie folgt dem klassischen und eleganten Stil, wie Jeans, die auch als business casual gelten können, und als kleines Extra etwa speziell gestaltete Hosentaschen oder Nähte haben.
Ausland und Zukunft
Neben dem Fregoli sind die Entwürfe von Pallai auch im Eclectick-Shop um die Ecke und in dem Wiener Eclectick Geschäft zu finden. Außerdem nutzt die Designerin die internationalen Märkte in Wien und Linz, auf denen sie regelmäßig ihre Kollektionen vorstellt. Auch virtuell kann bei Fregoli gekauft werden. Pallais Webseite wird momentan erneuert und soll Ende des Sommers fertig sein. Ein Webshop soll folgen. Bis die Seite fertig ist, können ihre neuen Kollektionen über fregolishop.blogspot.com bestellt werden. „Es ist einfacher über das Internet etwas zu bestellen“, gibt Pallai zu, fügt jedoch hinzu, dass dadurch die kleinen, personalisierten Änderungen, die manchmal an ihrer Kleidung anfallen, für den Kunden wegfallen. Noch ist sie skeptisch, wie der Internetverkauf funktionieren wird, möchte es aber auf jeden Fall versuchen. Eine Vergrößerung ihres Ladens plant sie jedoch nicht. „Durch die Finanzkrise sind die Käufe von Kollektionen aus dem Ausland wieder zurückgegangen, deswegen konzentriere ich mich erstmal darauf, die momentane Situation zu stabilisieren.“
Fregoli
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 11 bis 19 Uhr
Samstag 11 bis 17 Uhr
V. Bástya utca 8-10
Tel./Fax:+36 1 266 25 43
www.fregolishop.com
fregalishop.blogspot.com
Zur Person
Bernadett Pallai studierte an der Universität für Kunst und Design in Budapest, wo sie 2002 ihren Abschluss machte. Zusammen mit fünf Studienkollegen nahm sie 1999 mit der Kollektion „aquanauta“ an einem Wettbewerb teil und wurde über Nacht bekannt. 2009 zog sie mit ihrem Laden von der Basilika zum heutigen Standort in den V. Bezirk. Neben ihrer eigenen Linie designt Pallai Kleidung für Hostessen, arbeitet mit anderen Designern zusammen und nimmt an Fashionshows teil.