HipHop auf dem T-Shirt
Party, Mädchen, Autos: Was für die einen nach chauvinistisch-materialistischem Macho-Gehabe klingt, ist für viele ein Lebensgefühl und Teil der HipHop-Kultur. Seinen Ursprung hat die Strömung in den 1980-er Jahren bei Rappern der amerikanischen Westküste – entsprechendend wird auch von der Westcoast-Lebensart gesprochen. In einem kleinen Laden in Budapests VI. Bezirk steht wiederum folgendes auf den selbst entworfenen T-Shirts: Gold Life, „goldenes Leben“. Die jungen Ladenbesitzer erklärten der Budapester Zeitung, was mit alledem gemeint ist.
Kaum zu glauben, dass Anett Gáspár und Dániel Simon erst 22 Jahre alt sind. Gemeinsam mit Designer Sándor Dóczi betreiben sie das Kleidungsgeschäft „Gold Life“, das für ihre große Passion steht: HipHop. In der Subkultur mischen sich Musik und Kunst – aber auch viele Vorurteile. Graffiti wird oft als illegale Schmiererei bezeichnet, Rap wird wegen schmutziger Ausdrücke als jugendgefährdend abgestempelt, Breakdance wird nicht als künstlerisch wertvolle Tanzform akzeptiert und wieso DJs Plattenspieler missbrauchen, um auf Schallplatten herumzukratzen, verstehe, wer will. Dabei hat HipHop auch einen völlig anderen Charakter – den einer reichhaltigen Kultur. Etwa gegen Ende der siebziger Jahre entstand HipHop als Jugendbewegung in den Ghettos der USA. Musik, Tanz und Kunst dienten als Zeitvertreib und wurden von der armen Schicht als Sprachrohr genutzt. Nach und nach entwickelte sich daraus eine breitgefächerte Kultur, die sich nicht mehr nur noch auf Jugendliche beschränkt. Heutzutage werden Rap (MC-ing), Graffiti-Writing, Breakdance und DJ-ing zu den Elementen von HipHop gezählt. Nicht Wenige leben dabei von ihrem „Spezialgebiet“; so gibt es international anerkannte Breaker und Graffiti-Künstler. In Ungarn jedoch ist das Leben vom HipHop nicht einfach, wie Dániel erklärt: „Nehmen wir zum Beispiel Graffiti: Die Möglichkeiten für junge ungarische Sprüher sind sehr begrenzt. Künstler, die von Graffiti leben können, gibt es kaum, obwohl wir in Budapest viele international anerkannte Kunstschaffende haben. Und da den Jugendlichen keine legalen Sprühflächen zur Verfügung gestellt werden, bleibt ihnen oft nichts anderes, als illegal sprayen zu gehen. Ich möchte ungern über Politik lamentieren, aber es ist eben schon so, dass sich die Situation je nach politischem Machthaber etwas bessert oder verschlechtert. Momentan wird die Graffiti-Kunst jedoch nicht unterstützt.“
Klar und geradeheraus
Die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Graffiti – einerseits als Kunst, andererseits als Vandalismus – lösen sich beim Anblick der Gold-Life-Shirts in Einvernehmlichkeit auf: Die kreativen Schriftzüge und innovativen Grafiken auf den Kleidungsstücken sind absolut zeitgemäß und haben nichts mit sinnlosen Schmierereien gemein. Kein Wunder: Designer und Grafiker Sándor Dóczi weiß, was er tut, war er doch früher selbst als Graffiti-Künstler tätig. Neben „Gold Life“ drückt Sándor mit einer weiteren im Laden vertretenen Marke seine Liebe zu HipHop aus: „Graffiti Changed My Life“ (kurz GCML) unterscheidet sich von Gold Life durch ein eher verspieltes Design. Der einfache Schnitt der Shirts bleibt jedoch erhalten, während die Schriftzüge und Grafiken die vielen Möglichkeiten von Graffiti zeigen. „Wir setzen allgemein auf eher klare Designs – sowohl beim Schnitt als auch bei den Grafiken. Das Westcoast-Lebensgefühl wurde auf ziemlich kitschige Art in Ungarn eingeführt, mit vollkommen übertriebenen Designs. Da sind wir bei Gold Life eher geradeheraus, unverblümt – genauso wie die Raps.“ Gemeint ist dabei unter anderem der Song „Gin And Juice“ von Snoop Dogg, einem der bekanntesten Westcoast-Rapper, dessen Songtitel in der Vergangenheit bereits als T-Shirt-Motiv herhielt.
Nur in Ungarn
Auf die Frage, wo die Produkte im Gold Life-Shop produziert werden, antworten Anett und Dániel einstimmig: „Nur in Ungarn. Wir entwickeln die Designs und Grafiken selbst und lassen die Kleidungsstücke dann hier produzieren. Dabei handelt es sich zwar oft um limitierte Linien, aber es ist immer eigene Ware.“ Angeboten werden dabei nicht nur T-Shirts, sondern auch Mäntel, Schuhe, Schals und Baseball-Mützen mit eigenem Muster und Schnitt. Bald kommt außerdem die neue Sommerkollektion heraus, wie Anett anmerkt. Kaufen kann man die Produkte nicht nur im Laden, sondern auch über den eigenen Online-Shop auf www.247goldlife.com und einen weiteren des Extremsport-Magazins „Offline“ (www.offline.hu). „Der Vertrieb läuft gut“, freuen sich Anett und Dániel. „Bestellungen kommen auch aus dem Ausland, viele aus Deutschland.“ In ausländischen Geschäften wird zwar noch nicht verkauft, es wäre jedoch durchaus vorstellbar, sich in Zukunft auch im Ausland auszubreiten. „Das Problem sind nur die Riesenfirmen, all die großen Sportmarken, mit denen wir konkurrieren. Mikromarken, wie wir es sind, haben gute Kontakte zueinander, sie inspirieren sich gegenseitig und tauschen sich aus – auch im Ausland. Wir halten zusammen, um den kleinen Kulturkreis des HipHop zu stärken. Wir wünschen uns, dass auch unsere Kunden nicht Massenware, sondern einzigartige, individuelle Kleidung von Marken wie unserere kaufen, die ihre Produkte nicht in Indien, sondern in Ungarn herstellen.“
Gold Life
VI. Hajós utca 43
Öffnungszeiten: Montag bis Samstag, 10-18 Uhr
Email: 247goldlife@gmail.com
Webseite mit Online-Shop: www.247goldlife.com
Zur Person
Der Shop und die Marke Gold Life sind eine Idee von Designer und Grafiker Sándor Dóczi, der sich später den gelernten Kameramann und Cutter Dániel Simon sowie Geschäftsführerin Anett Gáspár, die momentan an der Budapester Hochschule für Wirtschaft lernt, mit ins Boot holte. Die modernen, jungen Designs der Kleider sollen ein HipHop-Lebensgefühl transportieren, dabei jedoch schlicht und clean gestaltet sein. Der 2009 eröffnete Laden gehört zu einer Firma des Designers, die auch Fotografien und Filme produziert. Für die Zukunft ist beispielsweise ein Dokumentarfirm über die ungarische HipHop-Szene geplant.