„Exhibitionistisch, verwegen und sexy“
Wer einen Spaziergang vom Westbahnhof zum Oktogon unternimmt, bummelt, ohne es vielleicht zu wissen, auch an dem kleinen bunten Laden des Designers Zoltán Herczeg vorbei. Versteckt in einem Hinterhof auf dem Teréz Körút ist das schön dekorierte Geschäft mit vielen außergewöhnlichen Kleidungstücken und Accessoires, in erster Linie für den Mann, zu finden. Die Budapester Zeitung unterhielt sich mit dem Liebhaber extravaganter Brillengestelle über Vergangenheit und Zukunft, und darüber, warum seine Mode im Ausland einfacher zu verkaufen ist.
Beim Betreten des originell gestalteten Geschäftes sieht man sofort wer Kunde und wer Designer ist. Zoltán Herczeg trägt eine Brille mit schillerndem Gestell, das es mit der Kollektion von Elton John aufnehmen könnte, dazu ein gut sitzendes, gestreiftes Hemd, Used-Jeans und rote Cowboy-Stiefeletten. Nachdem die Käufer den Laden verlassen haben, nimmt er sich Zeit und erzählt, dass er schon als Kind immer gemalt, gezeichnet und entworfen hat. „Meine Eltern haben mich nicht aus dem Haus, vom Tisch und meinen Stiften wegbekommen“, sagt er schmunzelnd und fügt hinzu, dass er sich auch mit Bildhauerei und Schreiben befasst hat. „Ich hatte schon immer eine künstlerische Ader“, betont Herczeg. Ausgelebt hat er diese schon Ende der 80-er Jahre, als die Mischung von Hip Hop und Rock auch nach Ungarn schwappte, es aber keine passende Kleidung dazu gab. „Die Freundin meines Bruders war Schneiderin; ihr habe ich erste Entwürfe für Bermuda-Shorts gebracht, die sie dann verwirklicht hat“. Später kamen dann Hosen und Hemden hinzu und bis zum Ende der Universität trug er fast nur selbst entworfene Kleidung.
Ursprünglich Wirtschaftsstudium
Eine Ausbildung zum Designer habe er nicht gemacht, sondern an der Budapester Corvinus-Universität in Wirtschaft abgeschlossen. Der Grund dafür waren zu gute Noten an einer wirtschaftlichen Mittelschule. „Eigentlich wusste ich nicht, was ich machen sollte; für die Lehrer und meine Eltern war es selbstverständlich, dass ich auf die Corvinus-Uni ging, und es hat mir ja auch Spaß gemacht“, erklärt er. Trotzdem entschließt sich Herczeg nach dem Abschluss, es mit der Mode zu versuchen. Seine Eltern sahen die Sache skeptisch. „Hinter mir standen sie aber immer, und seit dem das Geschäft läuft und ich damit Geld verdiene, sind sie sehr stolz auf mich“, sagt der Designer.
Von der Straße ins Internet
Angefangen hat er 1996 ganz klein, mit 30.000 Forint, die er sich
von einem Freund lieh sowie seiner Schneiderin und Entwürfen mit Filzstift. Es war eine Damenhose, die er auf den Straßen sowie in Studentenheimen an Bekannte und Unbekannte verkaufte und in Bus und Metro durch die Stadt schleppte. Bereits ein Jahr später eröffnete er sein erstes Geschäft, das einen Hof weiter und noch kleiner als das jetzige war. Inzwischen ist er beim Webshop angelangt, den nicht nur Käufer aus ganz Ungarn sondern zum Beispiel auch aus der Slowakei und Rumänien nutzen. Natürlich betreibt er eine Facebook-Seite, denn „man muss mit der Zeit gehen und die Möglichkeiten nutzen“. Sein neuestes Projekt besteht aus dem Vertrieb der Kleidung in den Vereinigten Staaten unter seinem Label „American Badass“.
„Filmstar Michael Madson“, erläutert der Designer, „kam eines Tages in meinen Laden, fand meine Kreationen ganz toll und hat mir gleich eine Zusammenarbeit angeboten“. Auf den Vorschlag ging Herczeg natürlich ein und produziert seinen Stil jetzt unter beiden Labeln.
Kleidung für Mutige
Autodidakt Herczeg entwirft zuerst im Kopf und bringt seine Vorstellungen dann aufs Papier. Manchmal inspiriert ihn ein schöner Stoff zu einem Kleidungsstück, manchmal ist es umgekehrt. „Wenn man mit offenen Augen durchs Leben geht, kommen die Ideen ganz von selbst. Ich war vor einer Weile in London und Paris, und bin mit so viel Energie, Inspiration und Stoffen zurückgekommen, dass es noch dauern wird, bis ich es aus der Vorstellung gezeichnet habe.“
Der Stil ist klassisch. Wie er sagt, hat bei ihm eine Hose zwei Hosenbeine und ein Hemd zwei Ärmel. Allerdings sind die Stücke bunt und durch die Applikationen, diverse Muster und so Kleinigkeiten wie zweifarbige Knöpfe oder Hemdtaschen höchst individuell entworfen. Der Gesamteindruck ist das, was zählt. „Das zutreffendste Wort ist eigentlich Badass“, meint der Designer und führt aus, dass seine Garderobe „ein wenig exhibitionistisch, verwegen, mutig und sexy ist“ – und von Menschen getragen wird, die weltoffen sind, sich darin wohl und stark fühlen, und ihr Leben so leben, wie sie es wollen. Zu den Käufern gehören auch Ausländer, die den Laden entdecken, viel auf einmal und auch die verrücktesten Entwürfe kaufen. Ungarn sind da zurückhaltender, kaufen ein bis zwei Sachen, und dann auch eher Straßentaugliches. Den Grund dafür sieht Herczeg darin, dass Ungarn in Sachen Mode zurückgeblieben ist: „Die Menschen sind durch die Jahre des Kommunismus verschlossen, wenig mutig – geben viel darauf, was andere sagen. Es fehlt das nötige Kleingeld.“
In Herczegs Laden ist zu 90 Prozent Männerkleidung zu finden, weil er „etwas von Männern versteht“, wie er sagt. Deswegen plant er in erster Linie für sie. Herczeg arbeitet auch mit großen internationalen Firmen zusammen, für die er Hostesskleidung entwirft. Hostessen sind bekanntlich großteils Frauen, und so fällt ihm am Ende doch noch auf, dass er sich beim Design zur Hälfte ebenso mit Frauen beschäftigt. Seine neue Schuhlinie mit Reitstiefeln, Cowboy-Stiefeletten und Halbschuhen zielt allerdings wieder auf Männer ab. Für Turnschuhe, die er im vergangenen Jahr gemeinsam mit Puma herausbrachte, gewann er einen Design-Wettbewerb, und erhielt davon 30 Paar in limitierter Auflage.
„Andere Mentalitäten“
Die wirtschaftliche Lage in Ungarn schätzt er kritisch ein: „Viele Ungarn kämpfen ums tägliche Überleben, arbeiten wie Sklaven und sind unglücklich.“ Das senkt die Kaufkraft, aber auch den Willen und Mut, anders zu sein als die breite Masse.
„Menschen im Westen haben eine andere Mentalität, sind glücklich und haben eine gesunde Seele. Deswegen trauen sie sich mehr“. Trotzdem will er nicht weg von hier, sondern dazu beitragen, dass es im Land wieder aufwärts geht. Denn das Entwicklungspotenzial Ungarns ist seiner Meinung nach beachtlich, doch andere Politik sei dafür vonnöten. Herczeg hofft mit seiner bunten, hochwertigen Kleidung dazu beizutragen, dass die Welt farbiger wird, denn – so behauptet er – „mein Job ist, Glück und Freude zu verkaufen“.
Ines Gruber
Zoltán Herczeg
VI. Teréz krt. 35
Tel.: +36-20-973-0443
www.herczegzoltan.hu
Zur Person
Seit dem Abschluss an der Corvinus-Universität vor 15 Jahren designt Zoltán Herczeg Kleidung. Mit der Ladeneröffnung im Jahr 1997 kamen auch die Aufträge von verschiedenen ungarischen Weltmusikbands, wie Back II Black, Hooligans, Romantic und vielen mehr. Später kamen dann Aufträge von internationalen Firmen hinzu, die für ihre Hostessen Kleidung bestellten. Neben TV-Auftritten als Jurymitglied, stellte er seine Kollektionen auf den Laufstegen in Madrid vor, bekam 2005 die „Fashion Awards Hungary“ für junge Designer. 2008 schaffte er es in das ungarische Jahrbuch des Who is Who. Seit 2009 arbeitet er mit dem amerikanischen Filmstar Michael Madson an einem neuen Label. 2010 brachte er in Zusammenarbeit mit Puma eigene Turnschuhe heraus.