„Objekte im Raum“ – Schuhe für mehr Mut zum Auffallen
In einer kleinen, versteckten Werkstatt in Budapest arbeitet und entwirft die Schuh- und Taschendesignerin Réka Vágó in Gesellschaft ihrer beiden Hunde mit Nadel und Faden, Buntstiften, Papier und Scheren ihre neuesten Kreationen. Die Budapester Zeitung hatte die Möglichkeit, ihr dabei über die Schulter zu blicken und ihr einige Fragen zu ihrer Arbeit zu stellen.
Wie sind Sie zum Schuhdesign gekommen?
Mich hat schon seit der Grundschule Design und Mode interessiert, ich habe sogar in der fünften Klasse mit einer Freundin ein eigenes Modelabel entworfen. Es war mir immer klar, dass ich kreativ arbeiten will und nicht Jura oder Wirtschaft studieren werde. Zwar habe ich mir auch kurzfristig immer mal etwas anderes vorstellen können wie Geologie, Ägyptologie oder Archäologie, aber ich bin immer wieder zur Mode zurück-gekehrt. Zu den Schuhen kam ich dann während meiner Ausbildung. Obwohl ich meine eigenen Tanzkleider und die meiner Freunde für den Wettbewerb entworfen habe, hat mich das Designen von Kleidung nie wirklich gepackt. Als wir uns dann in der Ausbildung für eine Fachrichtung entscheiden mussten, habe ich mich für die Schuhe entschlossen. Wir waren sehr wenige, denn pro Jahrgang melden sich nur maximal sechs Studenten zum Schuhdesign. Dadurch hatten wir einen familiären Umgang miteinander, was mir sehr gut gefallen hat.
Warum lieber Schuhe als Kleidung?
Textile Stoffe fließen aus meinen Händen. Leder hat einen gewissen eigenen Halt durch seine Struktur. Es hat etwas von Bildhauerei, von Formen, wenn man aus diesem flachen ein dreidimensionales Objekt erschafft. Ich kann mich auf jeden Fall an sehr viele Schuhe aus meiner Kindheit erinnern: meine ersten roten Sandalen, die Hochzeitsschuhe meiner Mutter, die Schuhe meiner Lehrerin oder die furchtbaren Schuhe einer Musical-Hauptdarstellerin.
Achten Sie bei jedem auf die Schuhe?
Ja. (lacht) Schon. In der Metro, Straßenbahn. Eigentlich überall. Das tue ich nicht, um die Träger zu kritisieren, sondern ich sammle Ideen. Aber nicht so, dass ich das Design anderer übernehmen würde, das könnte ich nicht, sondern weil es mich interessiert, wie die Menschen ihre Schuhe tragen. Welche Präferenzen sie haben, wie sie die Schuhe benutzen. Zum Beispiel, ob der Stiefelschaft umgekrempelt ist oder nicht, wie die Schuhbänder aussehen… Schuhe sind Objekte im Raum, und ich bin neugierig, wie sie benutzt werden. Denn so kann ich nach den Bedürfnissen meiner Kunden entwerfen.
Verraten Ihnen die Schuhe auch etwas?
Sie verraten viel über den Träger, außerdem gehören sie immer dazu. Man kann Accessoires wie Ketten, Ringe oder Taschen weglassen, aber Schuhe braucht man, egal wer oder wo. Sie ergänzen die Kleidung, machen sie komplett und tragen zur Aussage, zum Statement der ganzen Person bei. Man weiß durch die Schuhe, worauf der Träger Wert legt, ist es die Bequemlichkeit oder die Unterstreichung des eigenen Aussehens? Wie will sich die Person damit fühlen, sexy, weiblicher oder will sie Aufsehen erregen? Man erfährt viel über Prioritäten, wenn man Schuhe beobachtet.
Was entwerfen Sie am liebsten?
Ich persönlich trage gerne flache Schuhe, Ballerinas und Mokassins, also entwerfe ich diese auch am liebsten. Aber auch schöne, sexy Sandalen für den Sommer oder Plateauschuhe mag ich, Wedges sind allerdings eher nicht mein Ding, weil sie den wenigsten Menschen stehen. Es ist wie im Alltag, es kommt immer darauf an, wohin man geht und wie man auftreten möchte. Meiner Meinung nach sollte man den richtigen Schuh für die richtige Gelegenheit tragen.
Und was ist Ihnen am wichtigsten dabei?
Bei meinen Schuhen achte ich auf die Qualität des Leders, benutze meist mehr als eine Farbe und teste sie auch selbst. Ein Entwurf, der nicht bequem ist, den lasse ich auch nicht herstellen. Schuhe sind meine große Liebe, sie sollen so einzigartig wie möglich, eben ein Blickfang sein; bei ihnen kann ich mich austoben. Bei meinen Taschen ist das ein wenig anders, hier kommt meine praktische Seite zum Vorschein. Ich lebe manchmal fast aus meiner Tasche, und die Frauen, die meine Produkte kaufen, haben ein ähnlich aktives Leben. Deswegen müssen meine Entwürfe viel Platz bieten, um alles zu verstauen, egal ob Abend- oder Handtasche.
Und wer sind Ihre Käufer?
Das kommt darauf an. Am Alter kann ich es nicht festmachen, auch der Preis ist nicht ausschlaggebend. Es sind eben Frauen, die das Außergewöhnliche bevorzugen; jetzt bald auch Männer, wenn mein neues Männerlabel startet. Ich habe die Premium-Linie rekavago, bei der ich teurere Grundmaterialen verwende und mehr Handarbeit benötigt wird, und das Label r by rekavago, das um zwei Drittel günstiger ist und mehr Kunden erreicht. Gekauft werden die Schuhe von Ungarn und Ausländern, allerdings steigt die Zahl der Ausländer, weil sie die Qualität und das Design meiner Schuhe mögen und sie diese bei mir für einen guten Preis erwerben können. Viele kaufen auch aus beiden Linien etwas, das kommt darauf an, wofür der Schuh gebraucht wird. Budapest ist nicht gerade schuhfreundlich und so überlegt man schon, ob man seine empfindlichen Schuhe tragen sollte oder nicht. Allerdings könnte man ja Wechselschuhe mitnehmen, wie die Frauen in New York. Das hat auch etwas Schickes.
Machen Sie auch Einzelanfertigungen?
Natürlich. 50 Prozent sind Einzelanfertigungen; entweder Nachproduktionen eines Kollektionsschuhs, der in einer anderen Größe benötigt wird oder etwas abgeändert werden soll, Bestellungen von Bräuten, die einen tollen Brautschuh möchten oder von anderen Frauen, die eine Idee haben und diese umsetzen möchten.
Und wie designen Sie?
Ich entwerfe jedes halbe Jahr einen neue Kollektion, besser gesagt zwei für die Frauenlinie und ab diesem Jahr noch eine für die Herren. Diese bauen allerdings auch auf die vorherigen auf, ich übernehme beliebte, sogenannte klassische Modelle, und ändere sie nur etwas. Sonst habe ich eine Geschichte im Kopf, ein Thema, sozusagen eine Bildwelt, zu welchen Kleidern die Schuhe passen, für welche Frauen ich sie entwerfe… Durch die Einzelstücke bekomme ich auch neue Ideen, das ist so etwas wie mein Spielplatz, wo ich mich ausprobieren kann. Wenn viele den Entwurf gut finden, nehme ich ihn in die Kollektion mit auf. Und zu jeder neuen Saison gehört auch immer eine Tasche, die sich durch ihre Form in das Gesamtkonzept einfügt.
Was bringt die Zukunft?
Einen Onlineshop. Im Moment gibt es meine Entwürfe nur im Pazicski Showroom oder auf der Seite www.ourstyle.hu. Meine neuesten Nachrichten stehen im Moment immer auf meinem Blog, da meine Webseite aktualisiert wird, um den Onlineshop einzurichten. Mit dem kann ich dann auch Menschen außerhalb Budapests erreichen, auf dem Land oder im Ausland.
Wie würden Sie Ihre Entwürfe beschreiben?
Irgendwo erneuere ich die Schuhwelt, verknüpfe Ideen und setze Trends mit Schuhen die tragbar, bequem und etwas auffällig sind. Mit den Kreationen versuche ich, die Bedürfnisse vorab zu erfüllen und biete Menschen eine Alternative zu anderen Schuhen. Hoffentlich sporne ich sie damit auch an, mehr Mut zum Auffallen zu zeigen und dazu zu stehen.
PAZICSKI Budapest
V. Henszlmann Imre utca 3.
Telefon: +36 1 411 06 31 / 32
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr
Samstag 10 bis 17 Uhr
Persönlicher Termin: +36 70 3804754
Onlineshop:
www.ourstyle.hu und
www.rekavago.com (bald online)
Blog: rekavago.wordpress.com
Zur Person
Réka Vágó hat an der Bratislavaer Kunsthochschule (VSVU) und an der Moholy-Kunstuniversität studiert und beendete dort ihren Master 2003. Außerdem hat sie am London College of Fashion Schuhdesign-Kurse besucht. Nach zwei Jahren Arbeit für Tisza Cip? und den Juhos Schuhsalon brachte sie 2005 ihre erste Kollektion heraus mit Couture und Ready-to-Walk Schuhen unter ihrem eigenen Label. Kurze Zeit später, in der Herbst-Silhouette-Kollektion 2006/07, gesellten sich dann Taschen hinzu. Vágó arbeitet mit einigen anderen Designern wie Kiren Passi, Bori Tóth, Aquanauta and Anna Péter zusammen.