Design für den Menschen
Bestimmt hat jeder in Budapest schon einmal eine Jacke der Firma ille-olla gesehen. Der auffällig große umgeschlagene Kragen und die großen Knöpfe haben einen sympathischen Wiedererkennungswert. Ebenso sympathisch wirkt ihre junge Designerin, die eigentlich ganz andere Berufswünsche hatte.
Sieht den Menschen im Mittelpunkt: Designerin Lenke Illésy.
Der Laden, in dem Lenke Illéssy ihre Kollektion anbietet, liegt etwas versteckt hinter dem Egyetem tér. Gemeinsam mit ihrem Partner István Esztány betreibt sie das kleine Studio, das gleichzeitig als Verkaufsfläche dient. Seit drei Jahren führt Lenke Illésy ihr Geschäft und hat mittlerweile eine eigene Näherin angestellt. „Am Anfang habe ich alles alleine gemacht, von den Entwürfen über die Modelle bis hin zu den Stücken für den Verkauf“. Mittlerweile habe sie jedoch eine Näherin, welche die Stücke für den Verkauf fertige. „Irgendwann möchte ich noch mehr Aufgaben abgeben können“. Bis dahin versucht sie jedoch, so viel wie möglich auf jeder Stufe in der Hierarchie eines Kleinunternehmens zu lernen, so die Designerin.
Welche Vorteile es haben kann, das Zepter selbst in der Hand zu haben, erklärt Lenke an ihrer jetzt auslaufenden Winterkollektion. „Ich habe mich für diesen Winter stark von der Székelyer Folklore inspirieren lassen.“ Sowohl deren Farbgebung als auch einige Dekorationselemente habe sie in ihre Kollektion einfließen lassen. „Die Ketten, die an den Jacken befestigt sind, sind beispielsweise immer in Dreier-Reihen gelegt. In der Székelyer Folklore werden schmückende Elemente nämlich immer nur in Primzahlen verwendet.“ Typischerweise sei die aktuelle Kollektion so geprägt von den Farben Schwarz, Rot und Weiß und werde durch Blau, Braun und Grün ergänzt. Da die Politisierung der Gesellschaft selbst vor der Mode nicht Halt mache, sei es ihr früher schwer gefallen, folkloristische Einflüsse in ihrer Mode einzuarbeiten, erklärt Lenke. „Viele hätten darin ein politisches Statement gesehen, aber das ist es nicht.“
Das Geheimnis ihrer Kleidung liegt darin, dass sie nur auf sich selbst schneidert. So entwickelte sie auch das System für ihre markante Jacke. „Ich habe mir ein viereckiges Stück Stoff umgelegt und überlegt, was ich damit machen könnte, wie ich die Eigenschaften des Stoffes ausnutzen könnte. Dann schnitt ich Armlöcher in den Stoff und fing an, mit Verschlüssen zu spielen. So entwickelte sich die Idee zu einer Jacke, die auf einer einzigen Idee basiert, aber in unendlich viele Variationen verarbeitet werden kann.“ Auch für Kleider und Röcke habe sie solch ein System entwickelt und variiere dieses in den verschiedenen Kollektionen.
Trotz dieses Systems legt Lenke aber größten Wert darauf, herauszustellen, um wen es in ihren Kollektionen geht. „Individualität ist entscheidend. Ich möchte, dass Menschen, die meine Kleidung tragen, ein Stück weit ihrer Persönlichkeit damit Ausdruck verleihen können – so wie ich mich auch selbst durch meine Kollektionen ausdrücke.“ Durch die vielfältigen Variationsmöglichkeiten der Grundschnitte werden immer neue Modelle geschaffen. „Auch bei den Farben spielt die Persönlichkeit eine wichtige Rolle. Es ist sehr interessant zu sehen, wie die folkloristische Farbgebung sich auch im Alltag bewährt“: Die Székelyer Farbgebung hat besonders kräftige Farben für junge Frauen und gedecktere Farben für ältere Damen. Seltsamerweise würden auch die meisten ihrer Kundinnen die Modelle bei ihr so wählen, wie es die Folklore vorsähe, erzählt die Designerin lächelnd.
Bei der Frage, wie sie zum Designer-Dasein gekommen ist, lacht Lenke herzlich auf: „Eigentlich wollte ich nie Designerin werden. Meine Schwester war immer diejenige, die in dieser Richtung interessiert war. Eines Tages aber brachte mir unsere Urgroßmutter auf ihrer alten Nähmaschine mit Fußpedal bei, Kleinigkeiten zu nähen. Da war es um mich geschehen“. Tag und Nacht habe sie dann genäht, habe einfach nichts anderes mehr machen wollen. „Ich wäre am liebsten auch Schneiderin geworden. Aber meine Eltern wollten, dass ich eine Universität besuche.“ Als sie dann an der Fachhochschule Modedesign studierte, habe sie einmal eine Modenschau einer der Abschlussklassen gesehen. Die Kleider seien teilweise in Fetzen an den Modellen gehangen.
„Der Mensch war nur dafür da, die Kleider zu präsentieren, ein lebender Kleiderbügel. Ich war kurz davor, alles hinzuwerfen. So etwas wollte ich einfach nicht machen.“ Dann jedoch habe sie sich entschieden, einfach ihren eigenen Stil zu entwickeln und den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen. Dann begann sie zunächst mit Mode für werdende Mütter. „Für mich ist die Schwangerschaft die Perfektion des Frauseins“. Diesem Umstand habe sie Rechnung tragen wollen, wo sich bis dahin noch niemand mit dieser Zielgruppe, die doch so viel Schönes in sich berge, auseinander gesetzt habe. „Nach und nach kamen dann auch die anderen Familienmitglieder hinzu. So wuchs meine Kollektion wie eine kleine Familie.“
Genau so fühlen sich ihre Kleider auch an. Natürliche Stoffe, bequeme und weibliche Schnitte sind die herausragendsten Eigenschaften der Kleidung von ille-olla. Ab Sommer will die Jungunternehmerin einen Webshop online stellen, bei dem die Kunden ihre Kleidung personalisieren können, angefangen bei der Länge, über die Knöpfe, die Umschläge bis hin zu Aufnähern – alles soll dann selbst bestimmt werden können. „So möchte ich meinen Kunden noch mehr Freiraum lassen. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, ihrer Persönlichkeit, ihr Menschsein voll ausleben zu können durch meine Mode. Das wünsche ich mir.“
ille-olla
Fejér György utca 1
Telefon: +36 30 312 82 61
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag (außer Mittwoch):
15 bis 19 Uhr
www.ille-olla.hu