Spaziergang mit Liszt
Pünktlich zum Liszt-Jahr veröffentlicht der Helikon-Verlag gemeinsam mit der Franz Liszt Musikakademie einen Band über den Komponisten. ?gnes Watzatka führt in ihm den Leser auf Liszts Spuren durch Budapest – und hat auf diese Weise einen ganz außergewöhnlichen Stadtführer gestaltet.
Als 12-jähriges Wunderkind am Klavier kam Franz Liszt im Mai 1823 zum ersten Mal nach Budapest. Bis zu seinem Tod 1886 hielt sich der berühmte Komponist noch weitere 26 Mal in der ungarischen Hauptstadt auf, teilweise mehrere Monate lang. Aber was kannte er von Budapest? Wo hat er gewohnt, komponiert und Konzerte gegeben? Bei wem war er zu Gast? Der Band „Following Franz Liszt’s Footsteps in Budapest“ führt den Besucher zu vielen Gebäuden und Orten, die in irgendeiner Form mit Liszt in Verbindung stehen. Viele Sehenswürdigkeiten und berühmte Plätze sowie verschiedene musikalische Institute gehören dazu, Konzerthallen, Theater und Kirchen, in denen der Musiker als Pianist, Dirigent und Pädagoge gewirkt hat. Aber auch Liszts Wohnungen finden Erwähnung und alte Häuser in Pest, in denen seine Bekannten lebten. Zum illustren Bekanntenkreis zählten bedeutende ungarische Politiker, Künstler, Schriftsteller, Komponisten, Verleger und andere Persönlichkeiten der intellektuellen Elite Budapests.
Der König der Musik
So kommt der Besucher Schritt für Schritt der Person Franz Liszt näher und kann Ecken und Straßen für sich neu entdecken, die in den üblichen Stadtführern keine Erwähnung finden. Dabei wird auch von einigen Gebäuden berichtet, die schon lange nicht mehr stehen, z.B. das alte Nationaltheater am Blaha Lujza Platz. Hier verhelfen diverse historische Fotoaufnahmen und Abbildungen der Fantasie und lassen die alten Zeiten vor dem Auge des Betrachters wieder aufleben.
Zu allen Schauplätzen weiß die Autorin, eine Mitarbeiterin des Franz-Liszt-Forschungszentrums und Gedenkmuseums, beeindruckend detailreich zu erzählen. Dabei hat man nie das Gefühl, hier schreibe eine Wissenschaftlerin in ihrem Elfenbeinturm. Alles ist gründlich recherchiert und übersichtlich aufbereitet, jedoch lebendig und ansprechend erzählt. Eine Anekdote im Buch berichtet beispielsweise von einem denkwürdigen Gang Liszts über die Kettenbrücke im Juni 1867 am Ende der Krönungsfeierlichkeiten von Franz Joseph und Königin Elisabeth („Sissi“). Diese hatte in der Matthiaskirche stattgefunden, wo Liszt seine Krönungsmesse hatte hören können. Die Tradition wollte es, dass der König zum Eskü Platz (heute Platz des 15. März) nach Pest kommt und einen Schwur auf die Verteidigung des Landes leistet. Da Liszt zu dem Zeitpunkt dort wohnte, eilte er schon einmal voraus. Seinen Weg säumten Menschenmassen, die den König auf seinem Pferd erwarteten. Zu ihrer Überraschung sahen sie aber eine hohe, schlanke Gestalt in priesterlicher Robe zu Fuß, mit allerlei Medaillen um die Brust gehängt – eine wahrlich königliche Erscheinung. Als sie erkannten, dass es sich um Liszt handelte (er hatte sich in Rom 1865 zum Priester weihen lassen), brandete ein stürmischer Applaus auf, Männer warfen ihre Hüte in die Luft und Frauen winkten mit ihren Tüchern. „Sie feierten einen König – den König der Musik.“
Für ein breites Publikum
Mit seinen vielen, anschaulich erzählten Anekdoten bietet dieser Stadtführer ein Lesevergnügen für ein breites Publikum, das sich für Liszts Leben und die Geschichte Budapests interessiert. Doch auch für den Liszt-Kenner ist er interessant, dem sicherlich das ein oder andere Detail aus dem Schaffen des Musikers noch unbekannt ist. Anhand von fünf leicht zu verfolgenden Routen durch den alten Stadtkern wird zudem die Spurensuche erleichtert. Ziemlich pfiffig und auf der Höhe der Zeit ist: die Idee, die insgesamt 103 vorgestellten Orte mit GPS-Koordinaten zu versehen.
Ágnes Watzatka: „Following Franz Liszt’s Footsteps in Budapest“, 2011. Das 248 Seiten starke, mit ca. 300 Bildern und Stadtplan-Ausschnitten illustrierte Buch ist über den Helikon Verlag online (www.helikon.hu) sowie in größeren ungarischen Buchhandlungen für 3.990 Forint erhältlich (ISBN 978-963-227-260-3).