Topliste der Steuergeldverschwendungen
Eine große Überraschung boten die letzten Dienstag veröffentlichten Maßnahmen der Regierung nicht. Sie fügen sich harmonisch in das seit Amtsantritt der zweiten Regierung Orbán verfolgte Gesamtkonzept der Gesundung der Staatsfinanzen durch Schuldenabbau.
Weiterer Schritt in Richtung Strukturrefomen: Gespannte Stimmung bei der Verkündigung des neuen Maßnahmenkatalogs der Regierung.
Zwar verbirgt sich hinter dem Paket noch immer nicht die eigentliche, nicht zuletzt von Ungarns Kreditgebern sehnlichst erwartete große Strukturreform, allerdings werden etliche Punkte des Pakets sehr konkret was einige Teilaspekte der notwendigen zukünftigen Strukturreformen betrifft. Besonders berücksichtigt sind in mehreren Punkten das Gesundheits- und Rentenwesen. Außerdem werden weitere, ganz konkrete Schritte in Sachen Steuer- und Verwaltungsreform sowie einer Umorganisierung des öffentlichen Verkehrs gefordert.
Topliste der Verschwendung
Im Vordergrund der angestrebten Bemühungen steht zunächst weniger eine Hebung der Qualität und Effizienz der berührten Bereiche, sondern vielmehr, ihr weiteres finanzielles Ausbluten zu verhindern. Systematisch nimmt sich der Katalog eine Problemzone nach der anderen vor. Alle sind schon seit Jahren bekannt, wurden von den bisherigen Regierungen aber stets ignoriert. Der Katalog liest sich stellenweise wie eine Topliste der größten Steuergeldverschwendungen Ungarns.
Ganz oben steht die Medikamentenfinanzierung. Dicht gefolgt wird sie von den öffentlichen Beschaffungen. Es folgen der Komplex der Früh- und Invalidenpensionierungen sowie das ebenso mißbrauch-affine Thema der Krankengelder. Wenn die Aufzählung nach Wichtigkeit beziehungsweise nach der Höhe der Steuergeldverschwendungen erfolgte, kann es mit dem öffentlichen Verkehr trotz BKV und MÁV nicht so schlimm stehen, dieser Themenbereich wird erst gegen Ende des Aktionsplanes genannt.
Nun kann man sich zwar darüber mokieren – und die Orbán-Kritiker taten es sofort auch reichlich –, dass von den vielbeschworenen Strukturreformen noch immer nicht so viel zu erkennen ist. Auf der anderen Seite muss man aber auch klar anerkennen, dass das Eindämmen der gewaltigen Steuergeldverschwendungen in den erwähnten Bereichen auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung ist. Bevor die Aufbauten eines Schiffs renoviert werden, sollten logischerweise erst seine Lecks beseitigt werden. Eine umgekehrte Reihenfolge ist wenig sinnvoll.
Schuldenreduzierung im Fokus
Dreh- und Angelpunkt des neuerlichen Aktionsplanes ist die Schuldenreduzierung. Diese Absicht spricht bald aus jedem der 26 Punkte des Katalogs. Die Regierung Orbán lässt erneut keinen Zweifel daran, dass es ihr mit dem Schuldenabbau sehr ernst ist. Auch hier gilt wieder: erst das Leck stopfen und dann folgt alles Weitere. Im letzten Jahr musste Ungarn allein für Zahlung der Zinsen seiner immensen Staatsverschuldung 1.200 Milliarden Forint zahlen. 1.200 Milliarden Forint, mit denen man in Ungarn so viele nützliche Dinge hätte finanzieren können. Und hier ist nur von den Zinsen die Rede.
Die zweite wichtige Botschaft des Programms ist, dass Ungarn wieder eine Regierung hat, die gewillt ist, im Sinne der Bürger finanziell verantwortungsbewusst zu handeln. Nach Jahren der Gleichgültigkeit gegenüber dem Umgang mit den Steuergeldern der Bürger, hat Ungarn jetzt eine Regierung, die es im Interesse der Gemeinschaft nicht länger toleriert, wenn zu teure Medikamente verschrieben werden, wenn sich rüstige Arbeitnehmer einen Invalidenrentnerstatus „besorgen“, um dann für den Rest ihres Lebens in der Schwarzwirtschaft fröhlich weiter zu schaffen, oder wenn andersweitig Geld wegfließt, das woanders dringend benötigt wird.
Staatsgelder haben durch die Entfremdung vom Steuerzahler leider die unangenehme Eigenschaft, sich von dem, was sie sind, nämlich Steuergelder zur Finanzierung des Gemeinwesens, in etwas zu verwandeln, was sie garantiert nicht sind: in herrenlose Gelder, die nur darauf warten von einem beherzten Finder aufgehoben zu werden. Eben diese scheinbare Wesensänderung lässt sie immer wieder zu Opfern von besonders „cleveren“ Langfingern werden.
Dem Wildwuchs Herr werden
Ein verantwortungsvoller Staat muss daher ständig die Sorge dafür tragen, dass das Zweckentfremden von Steuergeldern möglichst unterbleibt oder zumindest nicht überhandnimmt. Das Problem mit dem sich die Regierung Orbán jetzt herumschlagen muss, ist, dass dem ungarischen Staat jahrelang eine, diese Missbräuche ständig zurückdrängende, sorgende Hand gefehlt hat. Bevor sie daher über ernsthafte Strukturreformen auch nur nachdenken kann, muss sie sich jetzt erst einmal wohl oder übel um das Zurückschneiden all des teils jahrzehntelangen Wildwuchses kümmern.