Ein spannendes Experiment
Einkommensteuer zum einheitlichen Satz von 16 Prozent, großzügige Familienbesteuerung, drastische Senkung der Körperschaftssteuer, neue Art der Einkommensteuererklärung; die auf einem „Bierdeckel“ Platz hat – ohne Anspruch auf Vollständigkeit könnten wir so die wichtigsten steuerlichen Maßnahmen des ersten und zweiten wirtschaftspolitischen Aktionsplans der Regierung zusammenfassen.
Es ist die Absicht des Kabinetts, zur Umsetzung der vorrangigsten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen, der Arbeitsplatzbeschaffung und der Familienförderung die Einkommen durch Umgestaltung und Vereinfachung des Steuersystems wesentlich zu entlasten. Da sich eine Überwindung der wirtschaftlichen Krise nur langsam abzeichnet, während die EU und internationale Finanzorganisationen den Mitgliedsstaaten einen Mehrausgabenstopp anordneten, darf auch die ungarische Regierung nicht von den im Konvergenzprogramm festgesetzten Senkungsraten des unter ihren Vorgängern auf bis zu zehn Prozent gestiegenen Budgetdefizits abweichen: Im laufenden Jahr muss das Haushaltsdefizit auf unter 3,8, im nächsten Jahr auf weniger als drei Prozent gedrückt werden.
Es ist als spannendes Experiment anzusehen, ob es der Regierung gelingen wird, die Einnahmenausfälle aufgrund der bedeutenden Steuersenkungen für Unternehmen und Private durch die mangels zusätzlichen Spielraums geplanten „Krisensteuern“, die in erster Linie von Großunternehmen in den Sektoren Finanzen, Telekommunikation, Einzelhandelsketten und Energieversorgung zu tragen sind, beziehungsweise durch die Einnahmen aus der „Rückverstaatlichung“ des Systems der privaten Rentenkassen auszugleichen und somit das Budgetdefizit auf das gewünschte Maß zu verringern.
Mehr Geld für Unternehmen
Durch die Senkung des Körperschaftssteuersatzes wird den Unternehmen wesentlich mehr Geld zur Verfügung stehen. Wenn die Unternehmer einen Teil davon durch Investitionen wieder dem Betrieb zuführen, käme dies einer realen Arbeitsplatzbeschaffung gleich und könnte auch der momentan mit großen Problemen kämpfenden Bauindustrie zu neuen Aufträgen verhelfen. Die Senkung der Lohnsteuer hingegen könnte die Unternehmen dazu motivieren, die bisher zum Mindestlohn angemeldeten Beschäftigten gemäß ihren tatsächlichen Verdiensten zu bezahlen. Natürlich besteht die Gefahr, dass Unternehmen einen Teil der aus der Einkommensteuersenkung resultierenden Nettolohnerhöhung für sich behalten wollen, was zu einem Rückgang der Bruttolöhne führen könnte. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass die Steuersenkung auch in solchen Fällen Vorteile bringt, wenn nämlich die Unternehmen die auf diese Weise eingesparten Lohnkosten erneut Investitionen zuführen.
Vorteile des Mehreinkommens
Es stimmt, dass vom neuen Einkommensteuersystem hauptsächlich Personen mit monatlichen Bruttoeinkünften von über 300.000 Forint beziehungsweise kinderreiche Familien profitieren werden. Was werden diese Menschen nun mit ihrem Mehreinkommen – von im äußersten Fall bis zu über einer Million Forint – anstellen? Sollten sie es investieren, könnte sich das heilsam auf das Baugewerbe oder den arg mitgenommenen Umsatz der Autohändler auswirken. Verwenden sie es zu Konsumzwecken, könnte das einen Aufschwung für Handel und Gastgewerbe bedeuten. Falls sie es aber zur Seite legen, können die Banken zu neuen Mitteln gelangen, und auch das führt im positiven Fall zu einer Belebung der Wirtschaft. Ein spannendes Experiment. Leider ist es ungewiss, ob diese Art der Wirtschaftspolitik von Erfolg sein wird. Und wir wissen, dass Ungarn einen solchen Erfolg dringend nötig hätte. Vielleicht wäre es ja bereits hilfreich, als ersten Schritt schon einmal die pessimistische Brille abzulegen und ohne sie in die Zukunft zu blicken.
Zoltán Lambert
Der Autor ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft HLB Klient Holding Kft.