Koexistenz von Tradition und Moderne
Traditionelle Kaffeehäuser erscheinen dem heutigen Betrachter wunderschön, ehrwürdig und sind dennoch – vielleicht gerade deshalb – etwas unzeitgemäß. Das neu eröffnete Hadik Kávéház knüpft zwar an diese Tradition an, bietet mit dem zugehörigen Szatyor gleichzeitig aber auch eine moderne Bar und Galerie. Klassische und zeitgenössische Kunst, Antiquarisches und Trödel, Dobos-Torte und Cocktail liegen in dieser geschichtsträchtigen Stätte nah beieinander. Ob das passt? Dem ersten Eindruck nach sehr gut sogar.
Frigyes Karinthy, Zsigmond Móricz, Dezs? Kosztolányi – sie alle traf man in den zwanziger und dreißiger Jahren im Hadik, war das 1910 gegründete Kávéház doch Treffpunkt der Budapester Literatur- und Kunstgesellschaft. Mit der Ermordung seiner jüdischen Eigentümer im Krieg und dem auf Letzteren folgenden Kommunismus gab es kein Kaffeehaus mehr, wie überhaupt diese Kultur aus K&K-Zeiten in der Stadt nahezu gänzlich verschwand. Anstelle von Heißgetränk und Boh?me-Flair war in der Bartók Béla út 36 fortan nurmehr Bürgerlich-Schnödes wie Mobiliar, später Schuhwerk und manchmal auch überhaupt nichts zu erstehen. Mit zweierlei Ambiente will es Inhaber Tibor Boszai heute wieder zu kultureller Blüte bringen.
Der kleinere Teil der Lokalität, Hadik Kávéház genannt, lässt alte Zeiten mittels schwerer, goldbefranster Vorhänge, gemusterter Stofftapeten, mächtiger Kristalllüster und goldgerahmter Gemälde aufleben; ein deckenhohes Wandbild mit dem Motiv früheren Kaffeehaustreibens tut hierzu sein Übriges. Einzig die Preise, so scheint es, sind nicht von damals, in Anbetracht der stilvollen Atmosphäre aber dennoch günstig (Espresso für 320, Cappuccino für 390 Forint). Feine Torten und Kuchen runden das Angebot kulinarisch, Piano- und Literatur-Abende kulturell ab.
Geht man eine Tür weiter, findet man im Nebenraum Boszais „junge, dem 21. Jahrhundert gemäße Antwort auf diese alte Kaffeehauskultur“. Optisch ist im Szatyor alles, selbst der Name, anders; 20 Künstler, darunter Babos Zsili Bertalan, trugen zu seinem Design bei. Ergebnis dessen ist eine kunterbunte, gemütlich-schlampige Mischung aus Ostblock-Charme, Künstlerkneipe und Ausstellungsraum, der sich auf der Galerie im 1. Stock befindet. Doch lugt ein Stück alter Kaffehauskultur nicht nur aus dem künstlerischen Programm der wechselnden Ausstellungen und Konzerte hervor: An der deckenhohen Wand rechts neben der Eingangstür brechen zwei alte Lada aus der Wand hervor – am Steuer des Einen: Dichter Ady Endre. „Fast magisch“ soll es laut einem Mitarbeiter abends hier zugehen, wenn die Bar im Licht der rot- und orangefarbenen Lampen warm erstrahlt. Mehr bodenständig erscheint die Speisekarte, die es bald auch in englischer Übersetzung geben soll: Cocktails kosten ab 890, ein großes Bier 490 Forint. Wenige, teils traditionell ungarische Gerichte wie Bohnensuppe mit saurer Sahne und Würstchen (750 Forint) wechseln sich monatlich ab. Ein paar Snacks soll es immer geben; der gegrillte panierte Käse auf frischem Salatbett (1300 Forint) wird nicht nur Vegetariern munden.
Mit diesem Konzept will Boszai eine ähnlich „flamboyante“ Gesellschaft anziehen wie es damals vor rund 100 Jahren gelang. Ein großes Kompliment gab es anscheinend bereits von den Nachfahren der jüdischen Erstbesitzer des alten Hadik: Ihnen habe es hier gut gefallen, als einem „Ort der Kunst, getrennt in klassisch und modern“, wird im Kaffeehaus stolz erzählt.
Hadik Kávéház
und Szatyor Bar und Galerie
1111 Budapest, Bartók Béla út 36
Telefon: (06 1) 279 02 90
Hadik Kávéház: Täglich 9 bis 23Uhr
Szatyor Bar und Galerie: Mo bis Fr 12 bis 1Uhr
Sa und So 14 bis 1Uhr
www.hadikkavehaz.blog.hu
www.szatyorbar.blog.hu