„Nicht ohne Café sterben“
Seit rund elf Jahren war es ein fester Bestandteil auf der kulturellen Landkarte Budapests, vor allem für alle mit deutschem Hintergrund. Ob deutsche Muttersprachler, Studenten, Touristen oder Intellektuelle, das Café Eckermann war für sie ein Begriff. Besonders an seinem ersten Standort auf der Andrássy út im Gebäude des damaligen Goethe-Instituts machte sich das Café Eckermann als Kulturtreff einen Namen. Vor dreieinhalb Jahren zog allerdings das Goethe-Institut aus seinem noblen Sitz an der Oper ans Ende der Ráday utca. Das Café Eckermann zog mit.
Bereits nach dem Umzug war Eckermann-Chef Wilhelm Droste zwar skeptisch, er hielt aber noch mit Enthusiasmus an seinem Traum-Literaturcafé fest: „Ich wusste, der Standort wird schwierig. Es ist nun mal nicht die noble Umgebung der Oper, wo nicht nur die hiesigen Intelligenz mehr zu tun hat, sondern auch ein wichtiger Anlaufspunkt für Touristen. Dieser Standort ist Ferencváros, eher eine Arbeitergegend, dass sich hier Laufkundschaft hineinverirrt, darauf konnte man sich nicht verlassen. Das hatte aber auch seinen Reiz, so dass es eine doppelte Herausforderung wurde.“ Dabei setzte Droste insgeheim auf die weiterhin bestehende Verbindung zum Goethe-Institut.
Schnell stellte sich aber heraus, dass sich Droste die Nachbarschaft mit dem Goethe-Institut etwas anders erhofft hatte. „In diesem Haus waren wir inzwischen völlig vom Goethe-Institut unabhängig, finanziell jedenfalls, wodurch sich die gesamte Situation verändert hatte. Aber als es vor dreieinhalb Jahren losging, war das ganz anders geplant, das Café sollte massiv vom Goethe-Institut bespielt werden – mit Lesungen, Ausstellungen, das Philosophiecafé sollte weitergeführt werden. Dabei spielte sicher eine Rolle, dass das Goethe-Institut auch selbst finanziell unter Druck geriet. Wir hätten allerdings, um gut über die Runden kommen zu können, zwei-dreimal im Monat größere Veranstaltungen im Café haben müssen, die auch finanziell unterstützt werden. So viel kam bei weitem nicht zustande“, erklärt Wilhelm Droste der Budapester Zeitung einen der Gründe, weshalb er das Café am vergangenen Mittwoch schließen musste. Hinzu kam auch noch die Krise: „Die Wirtschaftskrise hat auch die Intelligenz nicht verschont. Man hat es sich einfach abgewöhnt, öffentlich zu konsumieren." Trotzdem hat es das Café geschafft, die Intelligenz, der den Großteil des früheren Stammpublikums ausgemacht hatte, von der Andrássy in die Ráday utca zu locken. Zur Hauptklientel des Cafés gehörten auch Studenten, die allerdings eher zum Arbeiten und weniger zum Konsumieren ins Eckermann gegangen waren.
Trotz ambitiöser Pläne von einem Skulpturenpark im Garten und einer deutsch-ungarisch-jüdischen Veranstaltungsreihe noch vor einem halben Jahr wurde Droste von der Wirklichkeit eingeholt. Der doppelten Belastung konnte er einfach nicht mehr standhalten. Die Rechnungen wuchsen dem Germanistikdozenten schließlich über den Kopf, so dass er seinen Traum nun doch aufgeben musste.
Das bedauert auch das Goethe-Institut sehr: „Es ist sehr traurig, dass das Eckermann nun schließen muss. Wir waren sehr froh, dass wir ein Café in der Nähe hatten, wo wir unsere Veranstaltungen, Lesungen und anderes organisieren konnten. Unsere Mitarbeiter gehörten hier zum Stammpublikum, sogar unsere Gäste, schließlich waren unsere deutschen Zeitungen immer im Eckermann ausgelegt“, erzählt Gabriele Gauler, die Leiterin des Instituts der Budapester Zeitung. Auf diese Weise habe das Kulturinstitut sich bemüht, das Eckermann soweit es ging, zu unterstützen. „Nun werden die Zeitungen vorerst im Bibliotheksgarten auf die Leser warten“, bedauert Frau Gauler.
Ganz ohne Café bleibt das Goethe-Intitut vermutlich nicht. Einen Nachmieter soll es bereits geben, will Wilhelm Droste wissen, der allerdings – zumindest in seinen anderen Lokalen, den Szenetreffs Jelen und Most – eher aufs Nachtpublikum setzt. Auch den Namen Eckermann wird er wohl nicht behalten, glaubt Droste.
Vorerst heißt es also Abschied nehmen vom Café Eckermann, Droste will aber noch nicht aufgeben: „Ich kann mir nicht vorstellen, ohne ein Café in Budapest zu sterben“, hält er an seinem Traum fest. Wieso auch nicht – schließlich hat es ja auch in Hamburg funktioniert. Dort ist sein Café mit Schwerpunkt Ungarn bereits seit 30 Jahren in Betrieb und gehört damit zu den alteingesessenen Läden der Stadt.