Gießen mit Stil
Ostern ohne „Gießen“ ist in ganz Ungarn unvorstellbar – besonders stilvoll halten es aber die Bewohner von Hollókő. In traditionellen Kleidern erfreuen sie die Besucher des Dorfes, indem sie diesen ungarischen Brauch auf den Straßen des alten Dörfchens gleich mit Eimern voll Wasser vorführen, ganz so, wie es vor 50 Jahren landesweit noch üblich war (heutzutage gelten bereits ein paar Tropfen Parfum als vollwertiger Ersatz). Die genauen Ursprünge des Brauchs sind unbekannt, aber das erste schriftliche Zeugnis stammt bereits aus dem 17. Jahrhundert. Im Allgemeinen wird „gegossen“, damit die Frauen Blumen gleich das ganze Jahr über blühen.
Doch zurück nach Hollókő. Nicht nur zu Ostern setzt man in dem Dorf nördlich von Hatvan auf Tradition, vielmehr ist das das Markenzeichen des Orts. Als einziges Dorf in Ungarn zeigt sich das Gesicht des „Altdorfs“ einheitlich im traditionellen Palóc-Stil, entlang der zwei Dorfstraßen reihen sich einstöckige Fachwerkhäuschen mit weiß getünchten Lehmmauern aneinander. 1987 wurde Hollókő zum Teil des Weltkulturerbes. Die 58 denkmalgeschützten Häuser selbst stammen aus dem Jahr 1909, als sie nach einem Brand im Stil des 17. Jahrhunderts wieder aufgebaut worden waren. Wer meint, dass zwei Dorfstraßen und 58 Häuschen schnell besichtigt sind, mag sich täuschen. Die findigen Bewohner des Dorfes haben sich etwas einfallen lassen, um von den Touristen zu profitieren, und zeigen in ihren Häuschen gegen geringen Eintritt traditionelles Handwerk. So kann man sich nicht nur die aktuelle Fertigung von Webprodukten zeigen lassen, sondern auch allerlei historische Gerätschaften, die großenteils in Hollókő selbst gefertigt und benutzt wurden. Ein paar Häuser weiter findet man eine Miniatur-Trachtenausstellung: In drei kleinen, aber gut gefüllten Räumen werden mithilfe von großen Puppen die Trachten der verschiedenen Regionen Ungarns präsentiert. Oder man besucht die Töpferwerkstatt oder lässt sich auf der Terrasse des kleinen Gasthofs ein Glas Limonade servieren. Wer mehr sehen möchte, sollte sich unbedingt auf den Weg zu der Burgruine machen, der Hollókő (Rabenstein) seinen Namen verdankt: Am Ende des Dorfes steigt der Weg zu ihr durch den Laubwald leicht an. Die malerische Ruine aus dem 13. Jahrhundert thront auf einem einzeln stehenden Felsen. Während der Türkenzeit wechselte die Herrschaft zwischen Ungarn und Türken, bis sie 1683 von dem polnischen König Johann Sobieski befreit wurde – allerdings hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits keine Schutzfunktion mehr und verfiel in der Folge. Die jetzige Gestalt entstammt jedoch dem Jahr 1711, als wegen der Verordnung von Leopold I. aus dem Jahr 1701, die Burg zerstört werden sollte. Die genaue Geschichte der Burg kann man in der Ausstellung in den zwei rekonstruierten Wirtschaftsgebäuden im Hof der Burg begutachten. Den Weg zurück kann man auch über einen Waldpfad nehmen – vorausgesetzt, man trägt lange Hosen zum Schutz vor Zecken. Selbstverständlich verfügt Hollókő über eine komplette touristische Infrastruktur, die es sogar ermöglicht, in einem der alten Häuschen zu übernachten. Wer mehr Komfort will, kann sich in dem angrenzenden „Neudorf“ einmieten.
Der Zauber von Hollókő besteht besonders darin, dass der Ort – trotz zahlreicher Touristen gerade in der Hauptsaison – immer noch Ruhe ausstrahlt. Sicherlich ist das auch der Tatsache zu verdanken, dass Andenkenhändler keine Geschäfte im Altdorf machen dürfen.