In den ersten drei Quartalen des Jahres wurden 102 neue HIV-Infizierte registriert. Das sind 4 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (98). 2007 wurden in den ersten drei Quartalen nur 87 HIV-Infizierungen registriert. Die Zahlen sind eigentlich harmlos, wenn man sie beispielsweise mit der Ukraine oder Russland vergleicht, wo inzwischen eine Million Menschen mit dem HI-Virus infiziert sind. Während aber laut dem erst am vergangenen Dienstag veröffentlichten Welt-AIDS-Bericht der UNO die Zahl der Neuinfizierungen in den vergangenen acht Jahren um 17 Prozent zurückgegangenist, ist in Ungarn ein langsamer und steter Anstieg der Zahlen zu beobachten.
Einen Grund zur Sorge sieht Attila Balázs, Leiter der Hotline HIV-Vonal, aber in der Dunkelziffer: ,,Experten gehen davon aus, dass in Ungarn in Wirklichkeit etwa drei- bis fünfmal so viele Infizierte leben, die nicht einmal wissen, dass sie Träger des HI-Virus sind und womöglich regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr haben.“ Die Sorge ist begründet: Laut Angaben der Landeszentrale für Epidemiologie lassen nur 6,6 von 1.000 Menschen ihr Blut auf HIV untersuchen.
Auch die Nutzung von Kondomen lässt hierzulande zu wünschen übrig. Laut einer Umfrage schrecken nur vier von zehn Männern vor ungeschütztem Sex zurück. Den Grund sieht Balázs in der schlechten Aufklärung: ,,Während man in den Neunzigern wegen der plötzlichen Erscheinung und der Ratlosigkeit gegenüber der tödlichen Krankheit von Aufklärungswerbungen, Unterrichtsstunden und Ähnlichem überschwemmt wurde, wird Prävention heute eher vernachlässigt. Hat man Glück, kommt man an einen Lehrer, der die Aufklärung für wichtig hält, Gang und Gebe ist sie aber lange nicht mehr.“ Auch die Angst vor der Krankheit hat durch die immer besseren, wenn auch nicht heilenden Medikamente, nachgelassen. Kein Wunder, dass die Infizierten immer jünger werden. ,,Vor kurzem hatte ich mit einem Achtzehnjährigen zu tun, der schon seit einem Jahr das HI-Virus trägt“, beklagt der Leiter der Hotline.
Vorerst sei auch keine Besserung in Sicht, findet Balázs. ,,Die Nationale AIDS-Kommission hat zwar bereits vor Jahren einen Plan aufgestellt, aber bisher keinen Schritt unternommen. NGOs wie wir können zwar helfen, aber nicht die Aufgabe des Staates übernehmen.“ Erst im September dieses Jahres gestand Melinda Medgyaszai, Vorsitzende der Nationalen AIDS-Kommission, in einem Interview mit dem Wochenblatt Magyar Narancs ein, die Nationale AIDS-Strategie sei schlichtweg gescheitert, woraufhin sich die Bürgerrechtsorganisation TASZ in einem offenen Brief an das Gesundheitsministerium gewandt und sofortiges Handeln verlangt hatte.
Aus demselben Grund soll es an diesem Montag, dem Vorabend des Welt-AIDS-Tages, eine Demonstration vor dem Gesundheitsministerium geben: ,,Mit 102 weißen und acht schwarzen Kerzen möchten wir die Aufmerksamkeit auf die lenken, um die es hier geht: die 102 Neuinfizierten und die acht Toten in diesem Jahr.“