Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Sopron ist für uns Deutsche nicht nur eine besonders schöne Stadt ganz im Westen Ungarns, sondern auch der Ort des Paneuropäischen Picknicks, der Ort, an dem vor 20 Jahren für etwa 600 Bürger der damaligen DDR ein Traum wahr wurde: Der Traum, in Freiheit zu leben.
Diese 600 Deutschen waren unter den ersten, aber nicht die letzten, für die 1989 dieser Traum der Freiheit Wirklichkeit wurde: Knapp einen Monat später, um Mitternacht des 10./11. September, öffnete Ungarn die Grenze und ließ Tausende DDR-Bürger ausreisen. Als eine Folge fiel am 9. November dann die Berliner Mauer.
Aber nicht nur den Deutschen, ganz Europa hat die Grenzöffnung Freiheit beschert: Sie war gleichzeitig das Ende der Teilung des europäischen Kontinents. Heute leben wir in Freiheit, Grenzen sind kaum noch erkennbar, wir können uns in Europa frei bewegen. Die Grenzöffnung war Voraussetzung für die Erweiterung der Europäischen Union, die ihren Mitgliedern seit einem halben Jahrhundert Frieden und Wohlstand bringt – und der Ungarn nunmehr seit fünf Jahren angehört.
Zu Beginn dieses Jahres habe ich eine Ausstellung eröffnet, von der mir ein Exponat in ganz besonderer Erinnerung geblieben ist: Ein Dankschreiben der Veranstalter des Paneuropäischen Picknicks an den Grenzschutz Sopron, der am geschichtsträchtigen 19. August 1989 DDR-Bürger die Grenze passieren ließ. Das Schreiben spricht zutreffend von „Grenzsoldaten, die in dieser schweren Situation sich vor der ganzen Welt als wahre Menschen verhielten“. Dies zu würdigen ist besonders wichtig, weil es zur Zeit der Teilung des Kontinents eben auch die „anderen“ Grenzschützer gab, die einem Schussbefehl Folge leisteten, sei es aus Verblendung, sei es aus Angst. Diese „wahren Menschen“ haben wesentlich dazu beigetragen, dass 1989 für uns Deutsche der Anfang vom Ende der deutschen Teilung war, die Deutsche in West und Ost jahrzehntelang trennte.
Entscheidend auf dem Weg zur Freiheit war das Engagement der Zivilgesellschaft insbesondere aus Debrecen und aus Sopron, die im Jahr 1989 und davor mutig für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eingetreten ist. Ihr verdanken wir, dass wir heute problemlos in alle Staaten Europas reisen, Menschen und Kulturen kennen lernen und Freiheit neu erleben können – dies ist für meine Generation nicht selbstverständlich.
Bereits im Jahre 1990 sagte der ungarische Ministerpräsident József Antall in seiner Antrittsrede: „Ich hoffe, dass Europa, Amerika und andere Länder der Welt wissen, dass diese kleine Nation in der Vernichtung von totalitären Regimen eine Pionierrolle spielte und dass wir uns Europa endlich nicht nur durch einseitige Zuneigung, sondern auf der Grundlage gegenseitiger Wertschätzung anschließen können.“
Liebe Soproner, liebe Ungarn,
die Wertschätzung Deutschlands und der Respekt vor dem, was Sie damals geleistet haben, ist Ihnen sicher! Darüber hinaus ist nicht zuletzt durch die Ereignisse 1989 ein enges Band zwischen Ungarn und Deutschen geknüpft worden. Lassen Sie es mich mit den Worten von Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert ausdrücken: „Deutschland hat zehn Nachbarn, neun geographische und einen gefühlten: Ungarn!“
Liebe Ungarn, ich freue mich auf die Feierlichkeiten am 19. August in Sopron an der nicht mehr vorhandenen Grenze sowie auf die weiterhin enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ungarn – bilateral und im Rahmen der Europäischen Union.
Ihre