Mit der Ankündigung von Steuersenkungen landete
Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány zweifelsohne einen Coup: Just im Finish der
Referendumskampagne gelang es ihm, ein alternatives Thema aufs Tapet zu
bringen. In puncto Steuersenkungen stellte der Premier überdies einen breiten
gesellschaftlichen sowie fachlichen Diskurs in Aussicht.
Damit trachtete er jenen Kritikern den Wind aus den
Segeln zu nehmen, die ihm in den vergangenen beiden Jahren wiederholt
vorgeworfen hatten, willkürlich zu handeln und Kompromisslösungen zu meiden.
Allerdings hat sich die linksliberale Regierung gerade beim Thema
,,Steuersenkungen“ nicht mit Ruhm bekleckert. Nachdem sie 2005 einen auf fünf
Jahre angelegten Steuersenkungsplan lanciert hatte, machte sie diesen nach
ihrem Wahlsieg 2006 rasch wieder rückgängig. In Oppositionskreisen gilt dieser
scharfe Gesinnungswandel seither als Symbol für die ,,Lügenpolitik“ der
Regierung Gyurcsány.
Das ungarische Steuersystem wies in den vergangenen
Jahren im regionalen Vergleich einen wachsenden Wettbewerbsnachteil auf. Denn
während die anderen Länder Ostmitteleuropas fast ohne Ausnahme ihre Steuern
senkten und ihr Steuersystem vereinfachten, wurden in Ungarn die Steuern 2006
deutlich erhöht. Auch wurde versäumt, das ungarische Steuersystem zu
vereinfachen. Obwohl Ungarn unter den OECD-Ländern bei der Besteuerung der
Löhne an dritter Stelle liegt, ist der Umfang seiner Steuereinnahmen eher
Mittelmaß. Dies bedeutet, dass das ungarische Steuersystem äußerst ineffizient
ist.
Die 2009 anstehenden Steuersenkungen sind nicht nur aus
den oben angeführten wirtschaftlichen Gründen von größter Wichtigkeit, sie sind
es auch aus politischen. Die Senkung der Steuerlast vermag vermutlich am besten
zu symbolisieren, dass die bisherigen Spar- und Reformmaßnahmen der Regierung
nicht umsonst waren. Für die Regierung sind Steuersenkungen ferner dahingehend
unerlässlich, als diese bestens dazu geeignet sind, die Glaubwürdigkeit des
Kabinetts Gyurcsány mehr oder minder wiederherzustellen. Nach dem Einläuten
eines fünfjährigen Steuersenkungsprogramms 2005 war dessen Rücknahme nach den
Parlamentswahlen 2006 sowohl für den Markt als auch für die Wählerschaft ein
Schlag ins Gesicht.
Symbolischer
Gehalt
Die politische Bedeutung von Steuersenkungen liegt allen
voran in deren symbolischem Gehalt verborgen – dies gilt allein schon deshalb,
weil eine Reduzierung der Steuerlast in Höhe von 0,8% des Bruttoinlandproduktes
(BIP) für Bevölkerung, Wirtschaft und Arbeitsmarkt kaum spürbare Veränderungen
mit sich bringen wird. Positive Auswirkungen können Steuersenkungen nur dann
haben, wenn die Regierung mittel- und langfristig nach einem eindeutigen und
klaren Plan vorgeht und wenn die jetzigen Veränderungen dauerhaft bestehen
bleiben. Als größtes Problem des ungarischen Steuersystems gilt – neben der
weit verbreiteten Steuerflucht – dessen Komplexität sowie die ständige,
unberechenbare Veränderung des rechtlichen Umfelds.
Regierungschef Ferenc Gyurcsány legte der Öffentlichkeit
gleich drei Steuersenkungsvorschläge vor:
1) Die Steuerlast sinkt um 200 bis 250 Mrd. Ft, was 0,8%
des BIP entspricht. Gesenkt werden vor allem die Abgaben. Laut Premier
Gyurcsány steigt in diesem Fall nicht nur die Beschäftigung, sondern auch das
Wirtschaftswachstum.
2) Die Steuerlast sinkt um 420 Mrd. Ft. Gesenkt werden
soll vor allem die Einkommensteuer.
3) Die Steuerlast wird um 250 bis 300 Mrd. Ft auf Basis
einer so genannten ,,Lohnbruttoisierung“ gesenkt. Laut Premier Gyurcsány sinkt
in diesem Fall die Beschäftigung, dagegen steigen Wirtschaftswachstum, aber
auch die Inflation.
Was die drei konkreten Vorschläge angeht, hat aus Sicht
der Regierung der erste Vorschlag die besten Aussichten auf eine
Verwirklichung. Auch der Ministerpräsident hat sich für diesen ausgesprochen.
Allerdings wirft dieser Vorschlag einige Probleme auf: Zum einen soll die
Steuerentlastung nur bei jenen Unternehmen erfolgen, die maximal zehn
Mitarbeiter haben, was zu einer weiteren Fragmentierung der
Unternehmenslandschaft führen könnte. Zum anderen käme der erste Vorschlag in
erster Linie den Niedriglöhnern zugute. Hierbei muss aber darauf hingewiesen
werden, dass die Steuerbelastung bei Arbeitnehmern mit durchschnittlichen
Löhnen beziehungsweise darüber liegenden Einkommen derzeit am höchsten ist.
Deshalb ist in diesen Einkommensschichten die Steuerflucht auch besonders weit
verbreitet.
Konvergenzprogramm
als Hemmschuh
Die Steuersenkungspläne der Regierung werden insofern
erschwert, als sie sich ohne Wenn und Aber an das Konvergenzprogramm halten muss. Ein Abweichen könnte negative
wirtschaftliche und politische Konsequenzen nach sich ziehen. Gerade durch die
Einhaltung des Programms versucht die Regierung seit 2006 ihre Glaubwürdigkeit
wiederzuerlangen.
Der Juniorpartner in der Regierung, der liberale Bund der
Freien Demokraten (SZDSZ), machte bislang keine Anstalten, die
Steuersenkungspläne des Regierungschefs zu unterstützen. Vermutlich wird die
Partei nach dem Referendum mit eigenen steuerlichen Vorschlägen vorstoßen. Die
oppositionellen Jungdemokraten (Fidesz) befinden sich in einer schwierigen
Situation. Sollten sie die Steuersenkungspläne des Premiers nicht unterstützen,
gerieten sie zu ihrem eigenen Wahlprogramm aus dem Jahr
sie die Vorschläge von Gyurcsány wiederum gut, erhöhten sie unwillkürlich die
Glaubwürdigkeit der Regierung, wodurch sie in späterer Folge Probleme hätten,
die bisherige verfehlte Steuerpolitik der Regierung zu kritisieren.