Was immer man auch von den drei Steuervorschlägen halten mag, die Premier Ferenc Gyurcsány, am vergangenen Dienstag zur weiteren Diskussion übergab, sie markieren immerhin eine wichtige Trendwende in der Steuerpolitik des Staates.
Es hat den Anschein, als sei der Staat jetzt wirklich entschlossen, mit der Praxis der vergangenen Jahre zu brechen. Sein bisheriges Rezept zur Lösung seiner permanenten Geldnöte war so einfach wie bedenklich: Bei knappen Kassen wurde bevorzugt den offiziell registrierten Angestellten des Landes in die Tasche gegriffen. Das war zwar nicht sonderlich originell, kurzfristig aber doch sehr wirksam. Immerhin hatte der Staat die Adressaten seiner finanziellen Begehrlichkeiten bereits bei der Gurgel und musste nur noch etwas fester zudrücken.
Mit gerechter Lastenverteilung hat dieses Modell freilich nichts zu tun. Auch ist fraglich, ob damit dem Kampf gegen die Schattenwirtschaft wirklich ein guter Dienst erwiesen wird. Und dass die überproportionale Belastung des Faktors Arbeit auch Ungarns Wettbewerbsposition in der Region nicht gerade stärkt, liegt auf der Hand.
Staat macht sich indirekt über Renten her
Der sozialen Verantwortung des Staates spottet das Modell schließlich völlig Hohn: zwingt es doch eine große Zahl der ungarischen KMU dazu, ihre Angestellten aus Gründen der Existenzerhaltung ganz oder teilweise schwarz zu bezahlen und offiziell nur so viel zu deklarieren, dass der Argwohn des Finanzamtes nicht geweckt wird. Bei minimalen offiziellen Gehältern fallen aber auch die Einzahlungen in die Rentenkassen nur minimal aus. Anders ausgedrückt: Um seinen Geldhunger kurzfristig zu stillen, macht sich der Staat indirekt über die langfristige Alterssicherung seiner Bürger her.
Die Situation ist inzwischen so verfahren, dass es zweifelhaft ist, ob die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich greifen und die erhofften Resultate bringen werden. Erst recht, wenn die ohnehin nicht überwältigende Entlastungsdosis über Jahre verteilt in noch kleineren Mengen verabreicht werden soll. Es ist gut möglich, dass die vorgesehenen Entlastungen in Höhe eines dreistelligen Forintmilliardenbetrages wegen der geringen Dosierung einfach verpuffen, ohne dass sie von den Unternehmern groß wahrgenommen werden – geschweige denn sie zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen oder zur Legalisierung bestehender Arbeitsverhältnisse motivieren.
Nicht an der falschen Stelle sparen
In Anbetracht seiner klammen Kassen sollte der Staat also ganz genau untersuchen, wie hoch bei ungarischen Unternehmen die Wahrnehmungsgrenze für Steuerentlastungen ist. Er sollte nur dann zur Tat schreiten, wenn er sich sicher ist, dass seine Maßnahmen nicht nur zu massenhaften unproduktiven Mitnahmeeffekten, sondern zu spürbaren positiven volkswirtschaftlichen Ergebnissen führen werden.
Es gibt das Bonmot, wonach Weniger, manchmal Mehr sein kann. Im vorliegenden Fall könnte aus dem Weniger aber auch ein Nichts werden. Um das zu verhindern, sollte nicht an der falschen Stelle gespart werden. Zur Not muss durch größere Umgruppierungen im Steuersystem der Spielraum für wirklich spürbare Entlastungen geschaffen werden. So könnten beispielsweise die zusätzlichen Einnahmen aus der geplanten Immobiliensteuer vollständig dazu genutzt werden, den steuerlich überlasteten Faktor Arbeit zu entlasten.
Nebenbei würde die Immobiliensteuer auch die Möglichkeit eröffnen, dass sich endlich einmal alle Bürger, die innerhalb der Grenzen Ungarns in festen Mauern leben und arbeiten, an der Finanzierung des Staates beteiligen. Denn das grundlegende Problem Ungarns ist ja nicht, dass wenige Steuersubjekte zu viel, sondern dass viele entweder zu wenig oder überhaupt nichts zahlen. Angesichts der Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Staates die Einkommen der Bürger seines Landes restlos zu erfassen und zu besteuern, wäre eine Immobiliensteuer für alle statt einer Einkommensteuer für wenige eine deutlich bessere und praktikablere Alternative. Immerhin sind im Gegensatz zu den Einkommen – den Katasterämtern sei Dank – alle Immobilien des Landes bestens erfasst. Dass die Immobiliensteuer wegen der gleichmäßigeren Lastenverteilung zugleich wesentlich gerechter ist, wäre schließlich ein netter moralischer Nebeneffekt. All diese positiven Eigenschaften gelten aber nur, wenn die Einnahmen aus ihr nicht als zusätzliche Geldquelle betrachtet werden, sondern der teilweisen oder völligen Entlastung der Einkommen zugute kommen.
Will die Regierung im Steuerwesen eine grundlegende Wende herbeiführen und die schlechte Steuermoral wirklich nachhaltig verbessern, sollte sie – bald zwanzig Jahre nach dem Ende des Sozialismus – endlich daran gehen, alle, restlos alle Bürger in die Finanzierung des Gemeinwesens einzubeziehen. Möge die Regierung die Weisheit und den Mut aufbringen, in Steuerfragen endlich auch einmal das Richtige zu tun!