Während der
Belagerung erwog das Generalkommando der deutschen Verteidigung Budapests
mehrmals Pläne für einen Ausbruch. Hitler gab aber keine Erlaubnis dafür. Der
Kommandeur der Verteidiger, SS-General Karl Pfeffer-Wildenbruch, handelte bis
zur letzten Minute in diesem Sinne. Er entschied sich erst für den Ausbruch,
als schon eindeutig war, dass auch die restlichen Teile Budas in kürzester Zeit
fallen würden. Dabei wagte Pfeffer-Wildenbruch nicht, seine Vorgesetzten in die
Pläne einzuweihen. Damit waren jegliche Vorbereitungen für eine Hilfsmaßnahme
der Heeresgruppe unmöglich gemacht. Der SS-General meldete seine Absichten der
Heeresgruppe Süd erst im letzten Moment: am 11. Februar um 17.50 Uhr per Funk.
Kaum waren seine Worte durchgegeben worden, fingen die Funker befehlsmäßig an,
ihre Geräte zu zertrümmern. Damit war an der Lage der Dinge nichts mehr zu
ändern.
Die Möglichkeiten
zur Flucht waren sehr beschränkt, von den schweren Waffen war kaum Gebrauch zu
machen: Die meisten Panzer standen nicht an der Ausbruchsstelle, es fehlte an
Treibstoff und die Straßen waren meist unbefahrbar, besonders wegen der von den
Verteidigern selbst angelegten Panzersperren.
Der Beginn der
Aktion war am 11. Februar für 20 Uhr geplant. Mehrere Gruppen sollten die
nördliche Hauptkampflinie vom Széll Kálmán tér (heute Moszkva tér) und dem
Széna tér überrennen und die sowjetischen Stellungen aufrollen. Das Gros der
Ausbrechenden bildete den Schwerpunkt am Széna tér. Die Truppen sollten auf dem
kürzesten Weg durch die flachen Berge um Buda – deren Wälder einigermaßen
Schutz boten – nach Westen vorstoßen.
Der kritische
Punkt war der ungefähr zehn Kilometer breite Streifen zwischen dem westlichen
Waldrand, der etwa 15 bis 18 Kilometer von der Ausbruchsstelle entfernt lag,
und der östlichen deutschen Hauptkampflinie in 25 Kilometer Entfernung davon.
Dieses Gebiet war meist unbewaldetes Flach- und Ackerland mit Wiesen, an dessen
Rand Weingärten lagen. Da diese Strecke nur mit Handfeuerwaffen und einem
beschränkten Munitionsbestand erkämpft werden sollte, waren die Chancen für das
Gelingen des Ausbruchs von Anfang an minimal. Man hegte vermutlich die
Hoffnung, dass die Truppen der Heeresgruppe Süd einen Entsatzangriff starten
würden, um die – wie es damals hieß – „Rückkämpfer“ herauszuholen. Doch jene
waren nicht informiert und unternahmen deswegen nichts.
Über den Ausbruch
selbst kursierten die wildesten Gerüchte unter den Soldaten. Viele hofften, die
eigenen Linien nach einem einige Kilometer langen „Spaziergang“ erreichen zu
können. Einige behaupteten, dass am Ausbruchsweg nur die russische Etappe stehe
und die befreienden Vorhuten schon bei Pilisszentkereszt seien. Von ähnlichen
Hoffnungen beseelt, bereiteten sich auch Zivilisten auf den Ausbruch vor,
manchmal sogar mit sehr viel Gepäck und Kinderwagen.
Für den nüchtern
Denkenden musste aber klar sein, dass ein völliges Gelingen des Unternehmens
nicht zu erwarten war. Dessen war sich auch Pfeffer-Wildenbruch bewusst. Nicht
umsonst wählte er in Begleitung von 500 SS-Polizisten den ungefährlicheren Weg
durch den Kanal des Teufelsgrabens (ung. Ördög-árok), der auf einer Länge von
ungefähr fünf Kilometern völlig feindessicher war. Damit konnte auch die
schwierigste Phase des Ausbruchs gemieden werden.
Schließlich
begann um 20 Uhr der Angriff der ersten Sturmtruppen: Hauptmann Helmut
Friedrich berichtet in seinen Erinnerungen: „Das Gedränge auf der engen Straße
wird immer größer… Für einen Truppenführer ist es deprimierend, mit ansehen
zu müssen, wie sich dieser Ausbruchsversuch zu einer Wahnsinnstat, zu einem
fast tierischen Akt der Verzweiflung – nur dem Selbsterhaltungstrieb gehorchend
– entwickelt, ohne etwas dagegen tun zu können. (…) Durch einen schmalen
Spalt zwischen den schwarzen Konturen der Häuserreihen auf beiden Seiten
schimmert es gleißend hell wie auf einem Großstadtboulevard in Friedenszeiten
mit Leuchtreklame und glitzernden Schaufenstern. Unschwer lässt sich erahnen,
dass der ganze Feuerzauber von Granaten, Leuchtspurgeschossen und einer Unzahl
von Leuchtraketen stammt. Dort ist also die Front, der Széna tér!(…)“{mospagebreak}
Ein Soldat der
Waffen-SS erlebte diese Minuten so: „Dann rasen wir über den freien Platz. Es
knallt und kracht, vor uns, neben uns, hinter uns. Handgranaten detonieren, MGs
rattern, MPi-s knattern, Gewehrschüsse peitschen – Feuer rundum. Zum Denken
bleibt keine Zeit. Der Selbsterhaltungstrieb überlagert Angst und Mut. Vor mir
ein brennender Panzer. Voraus irgendwo muss ein Geschütz stehen, das in diese
Masse Mensch schießt. Volltreffer auf Volltreffer. Wer getroffen wird, bleibt
liegen. Wie Lemminge, blindlings vorangetrieben sich ins Meer stürzend, so
drängt hier eine Masse auf der Straße vorwärts, die einst diszipliniert, nun
ohne jede Ratio ins Verderben rennt.“
Mehrere Überlebende
behaupten, dass dabei über Lautsprecher der damals bekannte ungarische Schlager
„Dein Fliehen ist zwecklos, dein Rennen nützt nichts, von der Karte entfernen
kannst du dich nicht“ gesendet wurde und Rufe wie „Wir wissen, dass ihr kommt,
wir erwarten euch schon!“ auf Ungarisch ertönten. Die erste Welle der
Ausbrechenden – vermutlich mehrere tausend Personen – durchbrach unter
unglaublich hohen Verlusten die Stellungen der 180. sowjetischen
Infanteriedivision. Der dabei entstandene Leichenteppich bedeckte im wahrsten
Sinne des Wortes die Straßen und Plätze. Diese Menschenflut kam bis zur
Straßenabzweigung bei Budagyöngye voran, wo aber starke russische Kräfte das
weitere Vorwärtskommen verhinderten. Selbst dieses Vordringen über eine Strecke
von ungefähr 2,5 Kilometern war mit schrecklichen Opfern erkauft worden. Die
dabei entstandenen Verluste schockierten die Nachfolgenden: Die Soldaten der
zweiten Welle wagten nicht weiterzugehen. In der Dunkelheit entstand ein
heilloses Durcheinander.
Die in den engen
Straßen und Hauseingängen zusammengedrängte Menge wurde durch das allmählich
stärker werdende Granatwerferfeuer erfasst. Viele der vollkommen apathisch
gewordenen Soldaten gaben schon hier den Kampf auf: „In allen Hauseingängen und
auf der Straße liegen schon Tote und Verwundete. Da Stöhnen, hier Fluchen, dort
Bitten: Kamerad, erschieß mich, erschieß mich, Kamerad! Und noch flehentlicher:
Hat denn keiner ein Herz! Da, an meiner linken Seite ist meine Pistole. Bitte
erschieß mich. Ich kann ja selber nicht, meine Arme sind kaputt!“ So erinnert
sich jemand an die Ereignisse, die sich in den Hauseingängen am heutigen
Moszkva tér abspielten.
Um Mitternacht
wurde es hier einigermaßen still. Die Oberstleutnante Georg Wilhelm Schöning
und Helmut Wolff, der spätere Oberst der Bundeswehr, erkannten, dass ein
Weiterkommen in Richtung der heutigen Szilágyi Erzsébet fasor unmöglich war.
Sie gaben einem noch intakten Bataillon der Division den Befehl, den Ausbruch
über die Blutwiese in Richtung Kékgolyó utca voranzutreiben. Das Unternehmen an
dieser unerwarteten Stelle brachte einen überraschenden Erfolg: Während der
Dämmerung erreichte ihre Gruppe schon die steile Anhöhe des Großen
Schwabenberges vor dem Dorf Budakeszi.
Die Flut der
Ausbrechenden schockierte auch die sowjetischen Soldaten – besonders, als sie
mit ihren eigenen Augen sehen mussten, dass sich die Anstürmenden, ohne
Rücksicht auf Verluste, wie Besessene ins Feuer der Handgewehre warfen.
Deswegen war auch unter ihnen Panik ausgebrochen, die sich dann auf immer mehr
Truppen übertrug, die ihre Stellungen hinter ihnen hatten.
Viele entschieden
sich aber nicht so, sondern wählten lieber den Selbstmord – wie jene 26 jungen
SS-Soldaten, die sich eine Zeitlang im Haus Nr. 2 der Diósárok utca verschanzt
hatten. Andere Teilnehmer des Ausbruchs verfielen schon am Anfang in Panik, die
Schockwirkungen waren in den ersten Stunden beinahe unerträglich. Viele
Soldaten begingen bereits Selbstmord, als die Russen noch gar nicht in der Nähe
waren. Auf Seiten der Ungarn brachte sich fast niemand um: 40 Offiziere des
60-köpfigen Generalstabs schlichen schon zu Beginn des Unternehmens aus dem
Kanal zurück.
Der Fluchtversuch
durch den Kanal des Teufelsgrabens war völlig gescheitert. Von denjenigen, die
in diese Richtung aufgebrochen waren, gelang nach heutiger Kenntnis keinem der
Ausbruch. Pfeffer-Wildenbruch stieg aus dem Kanal, floh unweit der Remise in
eine Villa und ergab sich am 12. Februar kampflos den ersten sowjetischen
Soldaten. Etwa 5.000 seiner Soldaten lagen bereits tot auf den Straßen Budas.
Zu dieser Zeit fing in den Budaer Bergen die Treibjagd der Sowjets auf die etwa
20.000 durchgebrochenen deutschen und ungarischen Soldaten an.