Zu Beginn des
Jahres 1945 nahmen die Kampfhandlungen in Budapest an Heftigkeit zu. Die
sowjetischen Truppen gewannen immer mehr an Territorium, bis sie am 9. Februar
Buda fast gänzlich erobern konnten.
Die ersten
Sowjetpanzer drangen von Budakeszi aus zwar schon in den Mittagsstunden des 24.
Dezember 1944 in Buda ein, die Front stabilisierte sich jedoch in den folgenden
Tagen. Da anfangs weder die Sowjets noch die deutsch-ungarischen Verteidiger
genügend Infanterie nach Buda beordern konnten, existierte bis Anfang Januar
keine zusammenhängende Frontlinie. Kleine Gruppen nisteten sich in den Villen
des Rosenhügels und am Orbán-Berg ein. Die Front verlief von Süden nach Norden
an dem Lágymányoser Bahndamm, dem Adlerberg, dem Friedhof in Farkasrét, dem
Orbán-Berg, dem Rosenhügel, dem Mátyás-Berg und der Kiscelli út entlang. Obwohl
die Sowjets in den ersten Wochen der Einkesselung vieles unternahmen, konnten
sie die Frontlinie nur unwesentlich verändern. Wegen der am 18. Januar gestarteten
Entsatzangriffe stellte sich auf der Budaer Seite bis zum 25. Januar eine
Kampfpause ein. Die Verteidiger hofften zudem auf die Genehmigung zum Ausbruch.
Der Festungskommandant und General der Waffen-SS und der Polizei Karl
Pfeffer-Wildenbruch stellte aus den letzten Reserven eine bewegliche
Kampfgruppe zusammen. Diese musste aber bald zur Stütze der wankenden
Verteidigung eingesetzt werden, und Hitler verbot ohnehin einen selbstständigen
Ausbruch. Am 25. Januar eröffneten die Sowjets mit starken Kräften eine neue
Offensive im Mittelabschnitt der Budaer Verteidigung. Die Margaretheninsel
wurde unter furchtbaren Verlusten zwischen dem 19. und 28. Januar erobert.
Der Angriff
gewann zwischen dem 26. und 28. Januar auch in der Városmajor und am Rosenhügel
immer mehr Raum. Sowjetische Sturmtruppen drangen bis zur Csaba utca vor. Der
nördliche Eckpfeiler der Verteidigung am Rosenhügel musste wegen der drohenden
Umklammerung aufgegeben werden. Die Hauptkampflinie rückte unmittelbar zum
Burgberg heran. „Versorgungslage erschreckend. Los der Verwundeten
erschütternd“, funkte Pfeffer-Wildenbruch, der während dieser Wochen kein
einziges Mal seinen sicheren Gefechtsstand im Burgtunnel verließ, seinem
Vorgesetzten. Hitler befahl trotzdem am 27. Januar, dass Budapest bis zum
Erfolg der Entsatzangriffe zu halten sei, obwohl er diese gerade einstellen
musste.
Am 30. Januar
erreichten die sowjetischen Angriffsspitzen den Nordrand der Blutwiese am
westlichen Fuß des Burgbergs und konnten damit den Landeplatz der Lastensegler
unter direkten Beschuss nehmen. Trotzdem landeten die Flugzeuge hier weiterhin,
die meistens von unausgebildeten, blutjungen Fliegern der HJ geflogen wurden.
Nicht viel älter waren die 13- bis
16-jährigen Kinder der Groß-Budapester Sektion der „Deutschen Jugend“, die auf
dem Vérmez? eingesetzt wurden: Sie mussten den Fliegern mit Taschenlampen die
Landebahn anzeigen. Auch einige, von der Pester Seite herübergerettete
Theaterscheinwerfer taten dabei ihre Dienste. Die Piloten hatten nur dann eine
Chance zu überleben, wenn ihre Flugzeuge im südlichen Teil des Vérmez? landen
konnten und sie sofort aus der Maschine sprangen. Am 30. Januar erstürmte eine
todesmutige sowjetisch-ungarische Sturmtruppe die Schule in der Attila út 135.
Damit wurde auch das erste Haus am Fuße des Burgbergs erobert. Der Angriff kam
sogar bis zur Várfok utca heran. Nach vier Tagen konnte diese Gruppe jedoch von
den deutsch-ungarischen Verteidigern in einem mörderischen Häuserkampf
zurückgeschlagen werden: Die Wohnungen der Vérmez? utca 18 verwandelten sich
dabei in ein Flammenmeer. Andere Gebäude in der Attila út wechselten in diesen
Tagen bis zu viermal ihren Besitzer. Sowjetische Flammenwerfer-Sonderkommandos
eroberten im zähen Häuserkampf die Straßen um den Adlerberg und die davon etwa
einen Kilometer westlich liegenden Stellungen der 8. SS-Kavalleriedivision am
Farkasréter Friedhof. Bis zum 6. Februar wurde die Front stark eingedrückt und
der Adlerberg eingekesselt. Die Versorgung der Soldaten war katastrophal: eine
Scheibe Brot und ein wenig Pferdefleisch pro Tag für jeden Kämpfer. Die meisten
Soldaten lebten ohnehin seit Wochen von den Vorräten der Bevölkerung. An eine
Verteilung des ungenügenden Nachschubs war überhaupt nicht zu denken. Es fehlte
an Treibstoff, die Straßen waren nur in den Nachtstunden und nur zu Fuß
begehbar, da Schutt und Granatentrichter die Wege für Fahrzeuge versperrt
hatten. Die hungernde Bevölkerung versuchte die Versorgungsbomben zu plündern,
obwohl darauf die Todesstrafe stand. Ungarische und deutsche Soldaten sowie
Pfeilkreuzler lieferten einander regelrechte Gefechte, wenn es um die
Inbesitznahme der Versorgungsbomben ging – allerdings nur, wenn sie
Lebensmittel enthielten. In den Lazaretten wurde den Toten das Verbandszeug
abgenommen, um neue Verwundete zu versorgen. Trotz dieser Lage starteten die
Verteidiger immer wieder verzweifelte Gegenstöße. Die sowjetische „Gruppe
Budapest“ hatte so hohe Verluste, dass sie ab Ende Januar dazu überging,
ungarische Kriegsgefangene mit dem Versprechen, sie kämen nicht nach Sibirien,
in die eigenen Bataillone einzureihen. Bis zum 13. Februar wurden so aus über
3.100 Ungarn 20 selbstständige Kompanien aufgestellt, die meisten erst in den
letzten drei Tagen der Belagerung. Die Verluste dieser „Freiwilligen“ waren erschreckend
hoch: 600 von ihnen sind gefallen.
Zwischen dem 6.
und 9. Februar tobte der Kampf um den Südbahnhof am Rand der Blutwiese. Nur im
Südabschnitt der Verteidigung brachen alle sowjetischen Angriffe zusammen. Hier
konnte der Bahndamm zwischen der Donau und dem Adlerberg bis zum letzten Tag
verteidigt werden. Als untrügliches Zeichen für das Ende der Kämpfe begann man
zwischenzeitlich mit der Vergabe von Auszeichnungen.
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Beim Südbahnhof, in der
Mészáros utca, notierte der zur Zeit der Belagerung 15-jährige László Dese? den
Fortgang des Verderbens Stunde für Stunde in seinem Tagebuch:
„30.1. (…) Um zwei Uhr abends werden Pferde in die
Wohnung gebracht. Alles bebt natürlich in unserem Keller. Meine Eltern sind
derart entsetzt, dass sie jegliches Interesse verloren haben. (…) Man sagt,
nach wenigen Tagen wird das Dach vom Pferdekot durchnässt. Wir werden was im
Keller zu riechen haben.
7.2. (…) Die Front ist da. Auf beiden Balkonen im
Obergeschoss werden Maschinengewehre montiert. In meinem Zimmer wollte man eine
automatische Kanone unterbringen. Ich habe mich mit einem Deutschen im
Vorzimmer unterhalten, als vor der Tür eine Mine hochging und der Deutsche
zusammenbrach. Ein Splitter hat seine Finger bis auf die Wurzel abrasiert. Der
Arme schreit.
Das Spaltholz im Garten wird weggetragen, daraus
errichtet man in den Fenstern Barrikaden. Auch Möbel werden ins Fenster
gestellt. Während sie im einen Zimmer aufbauen, baue ich sie im anderen ab. Ich
trage die Möbel zurück. (…)
8.2. (…) Zahllose Verwundete. Im gegenüberliegenden
Haus sind russische Scharfschützen postiert. Wenn sich jemand am Fenster
blicken lässt, wird auf ihn geschossen. (…) Wagner [ein zwangsrekrutierter
SS-Soldat aus Budakeszi] ist schwer verwundet. Noch vor zwei Stunden hat er
lachend zugegeben, dass die Zerstörung des ganzen Hauses an ihm gelegen habe.
Weil er die Pferde auch in den benachbarten leeren Keller hätte führen können.
Den ganzen Abend wird stark geschossen.
9.2. Halb neun Uhr morgens. Ich stehe an der
Kellertreppe. Vorhin sind 17 Deutsche zur Verteidigung des Hauses eingetroffen.
Auch ein SS-Mann englischer Abstammung ist dabei. Zu fünft stehen sie neben
mir. Wir sprechen nicht. Sie sind sehr nervös. Sie rauchen eine Zigarette nach
dem anderen. Ihre Hände zittern. (…) Zwei haben schon darum gebeten, sich zivil
kleiden zu dürfen. (…) Im Haus ist noch ein Pferd verreckt. Die Wände sind
mannshoch mit Pferdeblut verschmiert.
10.2. Viertel Zehn. Einer der Soldaten hat aus dem
Salonfenster rausgeschaut (wie neugierig!), paff hat es gemacht, Kopfschuss.
Als ich im Salon war, und unter diesem
Fenster durchkriechen wollte, (ich hatte keine Lust, mich zu zeigen), fasste
ich aus Versehen in
die auf dem Boden ausgeflossene blutige Gehirnmasse. Beim Mittagessen ist es
mir eingefallen, dass ich mir seitdem nicht die Hände gewaschen habe. Ich habe
trotzdem weiter gegessen, Händewaschen ist Luxus.“