Zwischen dem 4.
und 11. April 1945 fanden auf ungarischem Boden keine nennenswerten
Kriegshandlungen statt. Am 6. April erreichte die 6. Garde-Panzerarmee bei
Tulln die Donau und kreiste Wien damit auch von Norden her ein. Die
„deutscheste Stadt des Ostens“, wie die Nazis Wien nannten, wurde nicht zur
„Festung“ erklärt, obwohl Hitler auf ihrer Verteidigung bestand.
Zum
Kampfkommandanten von Wien wurde am 3. April Generalleutnant von Bünau ernannt.
In der Stadt gab es kaum Truppen, von Bünau standen nur zwei sich
zurückziehende Divisionen der 6. Panzerarmee und einige Splittereinheiten zur
Verfügung. „Der Gedanke an eine erfolgreiche Verteidigung der Stadt überhaupt
oder auch nur über einen längeren Zeitraum [musste] von vornherein von der Hand
gewiesen werden“, schrieb Bünau in seinen Erinnerungen. Sepp Dietrich erklärte
ironisch in Wien, seine Panzerarmee trage deshalb die Nummer sechs, weil er
„nicht mehr als sechs einsatzbereite Panzer habe“. Diese Einschätzung war zwar
übertrieben, tatsächlich war die Armee aber nur noch ein Schatten ihrer
früheren Gestalt.
Während Wien
erobert wurde, gingen auch die Kämpfe in Ungarn zu Ende. Die sowjetische 27.
Armee war zehn Tage lang nicht imstande, die Reichsschutzstellung zwischen
Szentgotthárd und Körmend zu durchbrechen, obwohl gegen die hier verteidigenden
zwei deutschen Divisionen drei Armeekorps eingesetzt wurden. Erst am 11. April,
als die deutschen Truppen einen Rückzugsbefehl erhielten, wurden die Häuser von
Rábafüzes geräumt. Die Rote Armee konnte am 4. April lediglich ein Drittel der
Ortschaft erobern. Am Abend des 11. April hielt sich nur noch die Kampfgruppe
des Hauptmann Helmut Seifert in Ungarn auf. Diese bestand aus einem Bataillon
der 3. Panzerdivision und wurde bei Kapuy-major, circa sieben Kilometer
westlich von Körmend, umzingelt. Am 12. April, in den frühen Morgenstunden um
2.30 Uhr brach diese Gruppe aus. Bis zu den Mittagsstunden eroberten die
nachrückenden sowjetischen Einheiten der 93. Infanteriedivison die letzten
Zentimeter ungarischen Bodens.
Das Ende des
Krieges hatte an diesem Frontabschnitt für die Beteiligten verschiedene Folgen.
Am schlimmsten erging es den geflüchteten sowjetischen Staatsbürgern, die
kollektiv bestraft und in Arbeitslager deportiert wurden. Viele begingen aus
Furcht vor den Repressalien noch vor der Gefangennahme Selbstmord. In
Jugoslawien, in der Tschechoslowakei und in Ungarn wurde die ansässige deutsche
und in den ersten zwei Ländern auch die ungarische Bevölkerung kollektiv
bestraft und unter verschiedenen Umständen enteignet, teils oder ganz
vertrieben, ausgesiedelt, in Jugoslawien auch ermordet.
Ungarn verlor 40%
seines nationalen Vermögens. Aus statistischer Sicht waren die menschlichen
Verluste Ungarns prozentual die höchsten nach Deutschland, Polen, Jugoslawien
und der Sowjetunion. Aus einer Gesamtbevölkerung von 14,6 Mio. Menschen – in
den Staatsgrenzen nach 1941 – mussten circa 340.000 bis 360.000 militärische
und 590.000 zivile Tote verzeichnet werden. Von der zweiten Gruppe wurden
450.000 bis 490.000 Personen als Juden verfolgt und ermordet. Dem lediglich
sieben Monate dauernden Bombenkrieg sind in Ungarn circa 20.000 Zivilisten zum
Opfer gefallen. Diese relativ hohe Zahl weist auf die völlig ungenügenden
Zivilschutzmaßnahmen hin. Dabei praktizierten die Alliierten in Ungarn im
Gegensatz zu Deutschland noch nicht einmal einen totalen Bombenkrieg. Um die
30.000 Zivilisten fielen während der Kampfhandlungen.
Ungarn wurde zwei
Generationen lang besetzt, und die Besatzungskräfte stellte ausschließlich die
Rote Armee. Das hatte für das Land weitreichende und fatale Folgen. Obwohl in
den ersten Jahren der Nachkriegszeit noch eine Scheindemokratie
aufrechterhalten wurde, bestimmte Moskau von Anfang an allein die ungarische
Innen- und Außenpolitik. Die Polizei wurde unter totaler Kontrolle der kommunistischen
Partei organisiert. Führende Antifaschisten, wie Graf István Bethlen und Pál
Demény, wurden sofort (wieder) verhaftet. Große Teile der Industrie, die früher
in jüdischem Besitz waren und durch Erpressungen an die SS fielen, wurden
beschlagnahmt und demontiert. Der im Februar 1947 unterschriebene Pariser
Frieden grenzte Ungarn wieder auf das Trianoner Staatsgebiet ein, wobei der
Tschechoslowakei zusätzlich drei ungarische Dörfer bei Pressburg zugeteilt
wurden. Ungarn wurden 300 Mio. Dollar Reparationskosten auferlegt. Davon waren
200 Mio. an die Sowjetunion, 70 Mio. an Jugoslawien und 30 Mio. an die
Tschechoslowakei zu entrichten. Die Tatsache, dass dabei die Preise von 1938 zu
Grunde gelegt wurden, erhöhte die tatsächlichen Abgaben auf etwa 500 Mio.
Dollar.
In der
kommunistischen Diktatur fand über Schuld und Verantwortung Ungarns keine
offene Diskussion statt. Die Sowjetarmee musste als „Befreier“ gepriesen
werden, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung weder ihre Ankunft noch die
folgenden politischen Umwälzungen als echte Befreiung erleben konnte. Von den
restriktiven Maßnahmen der neu etablierten Diktatur waren die früheren Opfer
ebenso betroffen wie ihre Täter. Viele Kriegsverbrecher kamen vor die neu
eingerichteten Volksgerichte, oft wurden sie aber für Taten verurteilt, die sie
nicht begangen hatten. Es dauerte 44 Jahre, bis die ersten freien Wahlen
stattfanden. Der letzte sowjetische Besatzungssoldat verließ erst 46 Jahren
nach Kriegsende das Land. Eine Befreiung kann deshalb erst das Jahr 1989
bedeuten.