Relativ wenige Einwanderer in Ungarn
"Vom Fortgehen und Ankommen. Migration in Mitteleuropa vom 19. bis zum 21. Jahrhundert“, so lautete der Titel eines Migrationssymposiums in der vergangenen Woche. Veranstalter waren das Österreichische Kulturforum und die Andrássy-Gyula-Universität Budapest. Es ging dabei um die Geschichte der Migration, aber auch um aktuelle Bevölkerungsbewegungen in Mitteleuropa und Ungarn.
Der demographische Wandel führe dazu, dass die Bevölkerung von Industrienationen ,,ergraut“ und gleichzeitig ethnisch ,,bunter“ werde, so der österreichische Botschafter Ferdinand Mayrhofer-Grünbühel. Die Zunahme ethnischer Vielfalt sei notwendig, könne aber auch zu Konflikten um gemeinsame Werte führen. Der selbsternannte ,,Nicht-Experte“ eröffnete das Symposium mit einem fundierten Vortrag auf wissenschaftlichem Niveau. Diesen schloss er mit der Erwartung eines verstärkten Flüchtlingsstroms im kommenden Jahrhundert.
Ungarns Tradition als Einwandererland
In Ungarn ist davon allerdings bisher nichts zu spüren. Der Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung liegt mit 2% weit unter dem EU-Durchschnitt von 8,5%. Ferenc Kőszeg von der Nichtregierungsorganisation Pro Asyl erklärte, dies liege auch an einer fehlenden Integrationstradition im 20. Jahrhundert und an einer Politik, die ,,keine Erleichterung der Integration“ anbiete. Ethnisch betrachtet, sind diese 2% zum größten Teil Ungarn aus ehemals ungarischen Gebieten, allen voran Rumänien.
Dass dem nicht immer so war, erläuterte der Stadtforscher Gábor Gyáni. Geprägt von Industrialisierung und Urbanisierung zog Budapest im 19. Jahrhundert viele Menschen aus dem In- und Ausland an. 1800 lebten in Buda und Pest zusammen 50.000 Menschen, 1910 waren es 880.000. Budapest war eine Metropole, so Gyáni, mehrheitlich bewohnt von Nicht-Ungarn wie Deutschen, Juden, Slowaken, Serben und Bosniern. 56% der Einwohner sprachen Deutsch, damals die offizielle Amtssprache.
Dies änderte sich, als gegen Ende des 19. Jahrhunderts ,,Magyarisierungsmaßnahmen“ ergriffen worden waren, die dazu führten, dass 1891 nur noch 23% angaben, ihre Umgangssprache sei Deutsch. Doch auch nach der Jahrhundertwende, so der Stadtforscher in einer anschließenden Diskussion, lebten viele deutsche Arbeiter in der Stadt, spielten bei der Arbeiterbewegung eine führende Rolle und nahmen oft eine ,,ungarisch-nationalistische“ Identität an. Noch 1918 bestand die Bevölkerung Ungarns zu 8% aus ethnischen Minderheiten.
Dichte Grenzen bis zur Wende
Mit der zunehmenden Dominanz nationalistischer und schließlich faschistischer Geistesströmungen wurde Ungarn vom Einwanderungs- zum Auswanderungsland. Die großen Auswanderungswellen nach Deutschland und Nordamerika waren politisch bedingt: durch Faschismus und Kommunismus. Nach der Revolution von 1956 flohen 200.000 Ungarn ins Ausland. Bis 1989 waren die Grenzen relativ dicht, ins Land wanderten nur wenige ethnische Ungarn aus dem Gebiet des ehemaligen Großungarns ein, so Kőszeg.
Erst 1989, so der Asylexperte weiter, öffnete Ungarn die Grenzen für Flüchtlinge und Migranten, es wurde ein Sonderabkommen mit China vereinbart, das drei Jahre galt und Chinesen die visafreie Einreise erlaubte. Das führte dazu, dass rund 20.000 Chinesen nach Ungarn einwanderten. Als erstes Land des ehemaligen Ostblockes unterzeichnete Ungarn 1989 die Genfer Flüchtlingskonventionen, wenn auch bis 1998 mit der Beschränkung auf Flüchtlinge aus Europa, was bis dahin vor allem das Zuströmen von Kriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien zur Folge hatte.