Die maßgeblichen
politischen Kräfte in Ungarn führen dieser Tage einen regelrechten Eiertanz um
die Abhaltung von Volksabstimmungen auf. Nachdem Ministerpräsident Ferenc
Gyurcsány vor zwei Wochen ein Sieben-Punkte-Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der
politischen Korruption aufs Tapet gebracht hatte, stellte er am Montag
vergangener Woche ein Referendum in Aussicht.
Im Parlament
sagte Gyurcsány, falls die oppositionellen Jungdemokraten (Fidesz) sein
Antikorruptionspaket im Parlament nicht unterstützen würden, wolle er darüber
ein Referendum abhalten lassen. Laut ungarischer Verfassung können sowohl der
Staatschef als auch die Regierung oder ein Drittel der Parlamentsabgeordneten
eine Volksabstimmung initiieren. Hierzu ist eine einfache Mehrheit im Parlament
vonnöten. Ansonsten müssen zur Abhaltung eines Referendums insgesamt 200.000
Unterschriften gesammelt werden.
Der Fidesz
seinerseits reagierte auf den Vorstoß des Regierungschefs mit dem Vorschlag
einer weiteren Volksabstimmung. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am
Mittwoch vergangener Woche stellten Fidesz-Fraktionschef Tibor Navracsics und
der Vorsitzende der Christdemokratischen Volkspartei (KDNP), Zsolt Semjén,
ihren Referendumsentwurf vor. Dieser beinhaltet acht Themen, darunter die
Verkleinerung des Parlaments auf 200 Sitze und das Verbot politischer Werbung
in der Presse sowie auf öffentlichen Plätzen. Im Hinblick auf das Sieben-Punkte-Paket
des Premiers sagten Navracsics und Semjén, hierzu sei ein Konsens aller fünf
Parlamentsparteien notwendig. Sollte sich Gyurcsány über die
zwischenparteilichen Verhandlungen hinwegsetzen, wollen Fidesz und KDNP ihren
Referendumsentwurf bei der Landeswahlkommission (OVB) einreichen. Der Entwurf
des Fidesz dürfte allerdings ein politischer Bluff sein. Zwar könnten die
oppositionellen Kräfte ihren Entwurf durch die Erlangung einer einfachen
Mehrheit im Parlament bei der OVB einreichen, jedoch brächten sie die 194
Stimmen nicht zusammen, die zur Anordnung einer Volksabstimmung notwendig sind.
Das Tohuwabohu um
die Abhaltung von Referenda wurde durch eine ,,Eigenaktion“ des
stellvertretenden Chefredakteurs der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet,
Szabolcs Szerető, zusätzlich verschärft. Dieser reichte insgesamt fünf
Referendums-Fragen bei der OVB ein. Szerető sagte gegenüber der Zeitung
Népszabadság, er habe die Vorstellungen des Ministerpräsidenten und des Fidesz
unter einen Hut bringen wollen.
Im öffentlichen Diskurs Ungarns war die Abhaltung
von Referenda in der jüngeren Vergangenheit ein wiederkehrendes Thema. So
vermochte der Fidesz erfolgreich eine Volksabstimmung zu initiieren. Diese soll
im Frühjahr des nächsten Jahres abgehalten werden. Unter anderem wird dann über
die umstrittenen Studiengebühren und die so genannte Praxisgebühr abgestimmt.