Während der
Regierungschef auf Urlaub weilt und sich das Land inmitten der
Saure-Gurken-Zeit befindet, ist die radikale Rechte in Ungarn derzeit das
Lieblingsthema der Medien.
Die
gesellschaftliche Zustimmung für radikale Gruppierungen ist indes gering. Ihre
politische Bedeutung dagegen ist umso größer. Wie im Herbst vergangenen Jahres
könnten die extremistischen Gruppierungen auch dieses Jahr wieder bei
Nationalfeiertagen oder an Jahrestagen aktiv werden. Für die Linke wäre dies
neuerlich eine willkommene Gelegenheit, um den oppositionellen Fidesz, der die
Einheit im rechten Lager beschwört, ins radikale Eck zu stellen.
Seit den Unruhen
im vergangenen Herbst wird die Gefahr, die von den rechtsradikalen
Gruppierungen ausgeht, von den Medien und der Politik gleichermaßen
aufgebauscht und bagatellisiert. Die Handlungen der radikalen Rechten werden
mal als unbedeutende Operetten-Aktionen betrachtet, mal werden sie als echte
Bedrohung für die ungarische Demokratie dargestellt. Die gesellschaftliche
Zustimmung für die rechtsradikalen Gruppierungen in Ungarn ist im Großen und
Ganzen minimal. So stehen auch ihre Chancen schlecht, politisch an Bedeutung zu
gewinnen oder gar ins Parlament zu gelangen. Die vom oppositionellen Fidesz
unabhängige radikale Rechte hat allerdings schon mehrfach bewiesen,
beispielsweise bei der Stürmung des Gebäudes des staatlichen Fernsehens MTV am
19. September 2006, bei den Ausschreitungen und Randalen am 23. Oktober 2006
sowie am 15. März 2007, dass sie auf Basis eines ausgedehnten Netzwerks im
Internet dazu imstande ist, gewalttätige Aktionen vorzubereiten und
auszuführen. Gleichwohl ist die rechtsradikale Szene in Ungarn nach wie vor
zersplittert, was ein geschlossenes Auftreten erschwert.
Seit der
Veröffentlichung der berüchtigten Rede von Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány
in Balatonőszöd, im September vergangenen Jahres, hat sich die radikale Rechte
in Ungarn nicht nur neu formiert, sondern auch radikalisiert. So sind in den
vergangenen Monaten mehrere Bürgerwehren entstanden, die sich dem Bürger- und
Katastrophenschutz, aber auch der Verteidigung des Landes verschrieben haben.
Ihre Begründung: Polizei und Militär in Ungarn seien ungeeignet diese Aufgaben
zu erfüllen.
Rechtlich ist
gegen die rechtsradikalen Gruppierungen nur schwer vorzugehen. Wenngleich in
beschränktem Ausmaß ist es zivilen Organisationen in Ungarn erlaubt, Aufgaben
wahrzunehmen, die dem Schutz der Bürger und der Erhaltung der Ordnung dienen.
Auch sind die Zielsetzungen einzelner rechtsradikaler Gruppen mit Absicht
diffus formuliert (die ,,Nationale Garde“ beispielsweise würde in einer
,,Ausnahmesituation“ die ,,nationale Verteidigung“ verstärken), um von den
Behörden unbehelligt zu bleiben.
Instrumentalisierung der radikalen Rechten
Die
rechtsradikalen Gruppierungen sind aber auch ein gutes Instrument für
politische Angriffe – etliche Gruppen der rechtsradikalen Szene sind indirekt
mit dem Fidesz und dessen Politikern in Verbindung zu bringen. Größte Beachtung
hat bislang die ,,Nationale Garde“ gefunden, die von der rechtsradikalen Partei
Jobbik gegründet wurde. Auf der Ebene der Selbstverwaltungen hat Jobbik schon
mehrfach Bündnisse mit dem Fidesz geschlossen. Zudem war Jobbik-Chef Gábor Vona
früher in der selben ,,Bürgervereinigung“ wie der Vorsitzende des Fidesz,
Ex-Premier Viktor Orbán (1998-2002). Die Fidesz-Abgeordnete Mária Wittner
wiederum hat der ,,Nationalen Garde“ öffentlich ihre Unterstützung zugesagt.
Für die regierenden Sozialisten (MSZP) und die Liberalen (SZDSZ) sind dies
willkommene Gelegenheiten, um den Fidesz einmal mehr mit der radikalen Rechten
in einen Topf zu werfen. Obwohl sich der Fidesz als Mitte-Rechts-Partei
versteht, sendet die Partei immer wieder auch Botschaften in Richtung
rechtsradikaler Szene aus.
Fidesz kokettiert mit dem rechten Rand
Das Kokettieren
mit der radikalen Rechten scheint der Partei nun aber zu Lasten zu fallen: Die
Gründung der ,,Nationalen Garde“ Ende Juli hat die größte Oppositionspartei des
Landes in arge Verlegenheit gebracht. So wirken ihre Bestrebungen, sich in der
politischen Mitte zu etablieren, in den Augen vieler nicht mehr authentisch.
Hinzu kommt, dass sich der Fidesz immer noch nicht von der so genannten
Árpádfahne, die hierzulande oft als Symbol für die Schreckensherrschaft der
nazistischen Pfeilkreuzler verstanden wird, distanziert hat.
Für das Regierungslager wiederum bietet sich nun
eine gute Möglichkeit, aus der Krise herauszufinden. Die Präsenz der in Uniform
aufmarschierenden rechtsradikalen Gruppierungen könnte die in Apathie
versunkene Basis des linksliberalen Regierungslagers aufrütteln. In den
kommenden Wochen wird die symbolische Debatte vermutlich weiter anhalten: Die
,,Nationale Garde“ hat angekündigt, ihre Gründungsfeierlichkeit am 25. August
abzuhalten (Jahrestag der Schlacht bei Bratislava vor 1.100 Jahren). Darüber
hinaus planen die rechtsradikalen Gruppierungen, im Herbst gemeinsam
aufzumarschieren. In Anbetracht ihrer dürftigen gesellschaftlichen Einbettung
stellt die rechtsradikale Szene vor allem für den Fidesz die größte politische
Gefahr dar.